Diskurs in Waldbautraining

– ANW – Arbeitstreffen bei den Berliner Forsten am 13. Mai 2017-

Was bewirkt eigentlich die Entscheidung, die wir im Wald bei der Auswahl zu entnehmender Bäume treffen, langfristig? Und lässt sich vielleicht sogar ein individuelles Durchforstungsprofil aufzeigen?
Die 25 Waldbegeisterten, die sich am Samstagmorgen in der Nähe von Wandlitz im Wald der Berliner Forsten im Revier Gorin trafen, wurden sofort von Dirk Riestenpatt, Ingmar Preuße und Martin Guericke in die praktische Übung hineingeführt. Nicht lange herumstehen an Exkursionsbildern, nicht lange den Einführungen des örtlichen Revierleiters lauschen, nicht lange Geologie, Bestandesgeschichte und Klimaentwicklung in ausführlichen Diskursen abwägen, war Inhalt des Arbeitstreffens – nein gemeinsam auszeichnen mit Weitblick stand im Vordergrund des Tages.
Arbeitsgruppe inmitten von Naturverjüngung

Auf zwei Beispielplots der Berliner Forsten waren jeweils ca. 100 Bäume verortet, vermessen, vermarkt, nummeriert und konnten so individuell bestimmt werden. Der Wald erscheint bereits vielgestaltig mit alten Kiefern, einem vitalen Zwischenstand aus Laub- und Nadelholz sowie sich munter verjüngender Birke, Buche, Eiche, Kiefer und Vogelbeere – kurz und gut, man konnte ahnen, dass hier bereits seit einigen Jahren Strukturentwicklung mit der Säge betrieben und emsig gejagt wird. Welch herrliches Waldbild bot sich uns, verglichen mit vielen anderen in Brandenburg, die uns in ihrer Gleichförmigkeit doch noch allzu vertraut sind. Aber der Blick sollte an diesem Tag nicht nur zurück, sondern vor allem voraus gehen. Denn wie wird sich dieser Wald nun weiter entwickeln, wenn wir Holz machend und individuell fördernd eingreifen? Wie wirken sich Eingriffstärke und Auswahl der Individuen auf die weitere Waldentwicklung aus?
Die Aufgabe der vier schnell gebildeten Arbeitsgruppen bestand darin, die im nächsten Pflegeeingriff zu entnehmenden Individuen auszuwählen und zu notieren – quasi eine virtuelle Durchforstung anzulegen. Es sollte also richtig konkret und praktisch werden und die Folgen unserer Entscheidungen sollten uns anschaulich vor Augen geführt werden. Die eingangs seitens einiger Teilnehmer aufgeworfene Frage nach den betrieblichen Zielen und damit ggf. nach dem Maß des Vorgehens wurde schnell zur Seite geschoben. Ohne Zielvorgaben, sondern mit dem Blick einer naturgemäßen Weiterentwicklung des Waldes sollten durch die Gruppen jene Individuen identifiziert werden, die im nächsten Eingriff entnommen werden. Wer nun glaubt, dass sechs Forstleute im Walde schnell auf einen Nenner kommen, der irrt, denn nun entstand ein munterer Diskurs darüber, ob Nr. 20 oder Nr. 22 fallen müsse, vielleicht Nr. 36 doch zu dicht in der Krone von Nr. 37 stehe und Nr. 44 ja doch wohl ihre Zielstärke erreicht habe. Auch würde Nr. 52 die Verjüngung zu sehr beschatten und Nr. 61 sei ja wohl als Biotopbaum unstrittig – oder? „Industrieholz hat keine Zielstärke“, „das Gute ist des besseren Feind“, „wer nichts bringt fliegt raus“ … waren Begrifflichkeiten, die genauso zu vernehmen waren wie „notwendige Weiterentwicklung der Durchmesserstruktur“, „Angleichung an die Plenterkurve“ oder „Förderung der Verjüngung“ und „um Himmels Willen bitte das Biotopholz erhalten“.
Der heftige Diskurs in den Gruppen machte uns bewusst, dass wir zu reflektieren begannen, Ziele und Vorteile verschiedener Alternativen abwogen und uns bei dem einen oder anderen Exemplar sehr schnell einig waren, während die Auflösung von Bedrängungssituationen, Gruppenstellungen oder auch nur die Förderung eines vitalen Zwischenstandes und die Beförderung der zaghaft und üppig dort aufkommenden Verjüngung uns doch intensiv beschäftigten. Am Ende hatte jede der vier Gruppen die Individuen identifiziert und notiert, die sie entnehmen wollten. Gleichzeitig hatte sie auch ihr gruppenspezifisches zielorientiertes Vorgehen miteinander entwickelt, das anschließend mit den anderen drei Gruppen verglichen wurde.


Welcher Baum muss fallen?

Die Baumlisten wurden noch im Wald durch Martin Guericke erfasst, in BWinPro eingegeben und über 30 Jahre der weitere Wuchsverlauf bis 2047 mit und ohne Eingriff simuliert. Und jetzt wurden die Auswirkungen der jeweiligen Entscheidungen nur zu deutlich, denn hatte die eine Gruppe nahezu 50 Efm/ha entnehmen wollen, gab es auch eine Gruppe, die mit 24 Efm/ha nur zögerlich eingriff. Somit ließen sich im jeweiligen Durchforstungsprofil die „Lichtmacher“ von den „Zwischenstandentwicklern“ und die wieder von den „Intermediärdurchforstern“ deutlich abgrenzen. Spannend war zudem, dass die Auswirkungen auf die Stammzahlverteilungen so quasi eine grafische Durchforstungshandschrift jeder Arbeitsgruppe zeigte und damit auch ein konkretes Entwicklungsabbild ihrer Ziele war. Kurz und gut, es war für alle spannend zu sehen, welche Wirkung waldbauliche Entscheidungen entfalten und wie sich auch in der zukünftigen Waldentwicklung starke von mäßigen Eingriffen deutlich abgrenzen lassen.

Spannung bei der Auswertung von Prof. Guericke

Dieses war ein sehr gelungener Diskurs waldbaulichen Trainings, der uns viel Diskussionsstoff gebracht hat und den wir gerne weiter fortsetzen wollen. Die ergänzende Exkursion zu weiteren Waldbildern und die damit verbundene Erörterung verschiedener Varianten der Entwicklung strukturreicher und vielfältiger Wälder aus Kiefernaltersklassenwald im Revier Gorin rundeten den ANW-Arbeitstag schließlich auch noch mit dem Mittagessen am Grill herrlich ab.

Gorin Abt. 2121 im Jahr 2001

Gorin Abt. 2121 im Jahr 2017

Wandlitz war eine Reise wert – Danke Berliner Forsten, dass wir bei euch zu Gast sein durften und Danke Martin Guericke für diese wunderbar anschauliche Übung.
Garlitz, den 15. Mai 2017
Michael Duhr