Brandenburger und Berliner Waldbegeisterte zu Besuch in Mecklenburg

Arbeitstreffen bei den ANW-Beispielbetrieben Krümmel und Kalebsberg

Das zweite Arbeitstreffen der Brandenburg-Berliner ANW im Jahr 2024 führte an einem sonnig warmen Septemberwochenende zu zwei interessanten Forstbetrieben nach Mecklenburg. Die ANW Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern hatte am Samstagvormittag ihre Mitgliederversammlung durchgeführt und so gab es vor der gemeinsamen Exkursion am Nachmittag ein herzliches Wiedersehen der zusammen gekommenen Mitglieder. Das Interesse war so groß, dass sich die über 80 Waldinteressierten in zwei Gruppen aufteilten.

Eine von zwei Exkursionsgruppen im Forstbetrieb Krümmel

 Der erste Wald, der besucht wurde, gehört zum Forstbetrieb der Familie von Maltzahn – dem Forstbetrieb Krümmel. Moritz von Maltzahn, der den Familienwald betreut, und Christian Albrecht von der Mecklenburger ANW führten die Exkursionsgruppen. 

Im Jahr 1996 übernahm die Familie von Maltzahn einen etwa 800 Hektar großen Wald von der Treuhand. Der Oberstand bestand zu ca. 40 % aus Buche und war durch den wenig sorgsamen Umgang der vor der Übernahme verantwortlichen Bewirtschafter übernutzt, aufgefressen, winddurchblasen und insgesamt in einem schlechten Zustand. In den Jahren 2017 und 2021 kamen noch zwei starke Sturmereignisse hinzu, die weitere Löcher in den Oberstand rissen. 

Nachdem Moritz von Maltzahn im Jahr 2006 die Waldbetreuung und auch die Jagdorganisation übernommen hatte, etablierte sich in wenigen Jahren eine nahezu flächige Naturverjüngung, die vor allem aus massiv auflaufender Buche bestand. 

Weite Laubholzverjüngungsfläche unter einem zum Teil lückigen Buchendach

Das Thema des ersten Exkursionstages spiegelt eine der großen Herausforderungen wider, vor der der Betrieb in seinen Zielsetzungen steht: die Sicherung der Mischbaumarten in den Naturverjüngungsflächen und die Erhöhung des Nadelholzanteils durch Pflanzung und Pflege. Die Baumartenvielfalt liegt inzwischen bei über 25 Baumarten! Eichen, Eschen, Ulmen und die Ahornarten wachsen in den Buchenverjüngungsflächen eingesprengt von allein, Douglasien und verschiedene Tannenarten und -herkünfte werden gepflanzt. Diskutieren konnten die Gruppen an verschiedenen Waldbildern, die unterschiedliche Altersphasen der Verjüngungen zeigten. Die Grundfragen waren die gleichen, denen sich irgendwann alle gegenübersehen, die sich durch waldfreundliche Jagd über reiche Naturverjüngung freuen können: welche Baumarten brauchen Unterstützung durch Pflege, ab wann brauchen sie diese und in welcher Intensität, wer führt das durch und was kostet das? Die Meinungen reichten von Nichts-Tun über homöopathischen Pflegeeinsatz bis hin zum intensiven regelmäßigen Freistellen der Lichtbaumarten. 

Moritz von Maltzahn (rechts im Bild) diskutiert mit der Gruppe unterschiedliche
Pflegekonzepte zur Förderung der Mischbaumarten:
Welche Baumart braucht welche Unterstützung in welchem Umfang zu welchen Kosten

Bevor wir hinter der Krümmeler Kirche auf der Festwiese zum gemütlichen Teil des Tages übergehen konnten, schauten wir uns noch einen herrlichen Wald in der Nähe des Krümmeler Sees an. Einige urige alte Eichen hatten für inzwischen schon stattlichen Nachwuchs in der mittleren Baumschicht unter alten Kiefern gesorgt. Auf den wertvollsten ca. 30 Eichen pro Hektar liegt das Hauptaugenmerk der Waldpflege. Die straffe Jagd brachte noch einen reichen Strauß an Baumarten in der Verjüngung, so dass wir tolle Dauerwaldbilder vor uns hatten, auf die wir in vielen unserer kiefergeprägten Bestände noch hoffen.

Auf dem Rückweg zur Festwiese warfen wir noch einen Blick auf die Folgen fragwürdiger Förderpolitik, die maximalinvasive Forstwirtschaft unterstützt – in diesem Fall nach Borkenkäferkalamität die flächige Räumung, Pflanzung, Zaun und Kulturpflege – anstatt die Ergebnisse naturgemäßer Jagd- und Waldwirtschaft, wie im Rest des Betriebes. 

Mit der Festwiese hatte Moritz von Maltzahn uns nicht nur einen tollen Grill- und Zeltplatz besorgt, auch der nächste Badesee war nur fußläufig entfernt. Nach einer herrlichen Abkühlung gab es Volleyball, Gegrilltes, Gekeltertes und Gebrautes und viele nette Gespräche. 

Essen, trinken und plaudern auf der Festwiese Krümmel

Am nächsten Morgen, nach einem für einige recht hektischen Aufbruch, fuhren wir etwa eine Stunde zum zweiten Ziel der Exkursion, dem Forstbetrieb Kalebsberg. 

Im Jahr 2005 hatten Heike Dubbert und Holger Weinauge den Betrieb übernommen. Auf einer Fläche von 285 Hektar bewirtschaften sie einen Wald aus etwa 50 % Laub- und 50 % Nadelbäumen im Oberstand. 

Holger Weinauge stellt seine Waldbau-Philosophie vor

Nach einigen hundert Metern Pflasterstraße ging es direkt und quer durch den Wald. Beim ersten Halt auf einem vom Wald überwachsenen bronzezeitlichen Hügelgräberfeld stellte Holger Weinauge seinen Wald als Teil typischer mitteleuropäischer Waldgeschichte vor. 

Die beiden Besitzer legten von Anfang an großen Wert auf eine naturgemäße Dauerwaldbewirtschaftung und stellten grundsätzliche Ziele ihrer waldbaulichen Strategie vor: optimale Kühlung, vitale Photosynthese, hohe Biodiversität und stetige Stoffkreisläufe. Dabei wird versucht sowohl durch Beobachtung als auch experimentelle Ansätze das daraus gewonnene Wissen gezielt zur Optimierung des Bestandes einzusetzen. Zum Thema Waldkühlung erläuterte Holger Weinauge ausführlich und bildhaft das System des Wasserkreislaufes, das in Wäldern deutlich komplexer ist, als es in manchem wissenschaftlichen Diagramm dargestellt wird. Durch ständige Evaporation und Transpiration zwischen Waldboden und Kronendach bewegt sich das Wasser bis zu achtmal im Kreislauf, bis es an die Atmosphäre über dem Wald abgegeben wird.

Kreuz und quer ging es über liegendes Totholz und durch die bürstendichte Naturverjüngung

Eine Herzensangelegenheit Holger Weinauges ist der Bodenschutz und insbesondere der Schutz des Mykorrhiza Netzwerkes. Aus diesem Grund wurde das Rückesystem neu umgesetzt: mit einem ungewöhnlich hohen Rückegassenabstand von 80 bis 120 Metern, wird versucht die Bodenverdichtung auf ein Minimum zu reduzieren. Kurzholz wird mit Pferden, Stammholz mit einer Forstraupe bis an die Rückegasse vorgeliefert. Wie Weinauge ausführte, ist für den Bodenschutz in Bezug auf die Forstraupen (und jegliche andere schwere Technik) die Minimierung des Vibrationsdruckes auf den Untergrund das Entscheidende. Wichtig ist, dass die Vibrationen des Antriebsmotors der Forstmaschine nicht direkt auf den Boden übertragen werden. Leider wird das aus seiner Sicht noch viel zu wenig bei der Produktion dieser Maschinen beachtet. Weinauge verwendet die Suffel SmartSkidder Forstraupe, welche bis zu vier Festmeter am Stück aus dem Wald ziehen kann. Dabei betragen die Erntekosten ca. 35 € pro Festmeter.

Weinauge erläutert die Strukturdurchforstung in einem zuvor einschichtigen Fichtenforst 

Da der Betrieb ein Wirtschaftsbetrieb ist wird selbstverständlich auch Holz geerntet. Die Nutzung liegt bei 5 bis 10 fm pro Jahr und Hektar mit steigender Tendenz. Grundlage der Holzentnahme ist die sogenannte Stukturdurchforstung, die sich an der Stammzahlverteilung der Dauerwaldkurve orientiert und immer versucht sich dieser weiter anzunähern. Bäume dicker als 80 cm BHD werden nicht mehr genutzt. Sie erfüllen als Habitatbäume und ästhetische Schätze eine besondere Funktion. Ansonsten wird in allen Alters- und Stärkeklassen durch Nutzung gepflegt. 

Einen ebenfalls ungewöhnlichen Ansatz verfolgen Heike Dubbert und Holger Weinauge bei der Jagd. Nachdem sie nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten wichtige jagdliche Voraussetzungen durchgesetzt hatten, etablierten sie ein Drückjagdkonzept, dass auf den Prinzipien der historischen Wolfsjagd beruht. Durch die Stellung der Ansitzeinrichtungen zueinander und das Besetzen derselben in Beachtung des Windes entsteht ein sogenanntes Duftreusensystem. Das Wild, in dem Versuch den gefahrsignalisierenden Düften der Schützen auszuweichen, wird dadurch immer wieder anderen Schützen zugetrieben – wie in einer Art Reuse. Abgesetzt wird relativ eng mit ungefähr einem Jäger auf 5 ha. Später kommen noch Gruppen von Beunruhigern hinzu, die sich jedoch relativ ruhig, wie Pilzsammler, bewegen. Das Wild bewegt sich dadurch relativ ruhig. Der größte Teil der Strecke fällt zu Beginn der Jagd. Hunde werden nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Diese eine Jagd ist sehr effektiv. Weinauge schätzt, dass so ein Drittel bis die Hälfte des Rehwildbestandes abgeschöpft werden kann. Mit Ausnahme eines Gruppenansitzes im Frühling, bei dem reichlich Böcke geschossen werden, gibt es keine weitere Jagd. Einzelansitze finden gar nicht statt. Das vorgestellte Konzept sorgte für viel Nachfrage und regen Austausch in der Gruppe. Diskutiert wurde über die ausreichende Wirkung auf den Verjüngungszustand und die Übertragbarkeit auf andere Reviere. Holger Weinauge erklärte, dass bei einer Verschlechterung des Verbisszustandes eine zweite Drückjagd notwendig werden könnte. 

Gebanntes Schauen auf Wasserflaschen: das Duftreusensystem bildhaft erklärt

Den wohl schönsten Teil ihres Waldes zeigten uns Heike Dubbert und Holger Weinauge zum Abschluss der Exkursion: einen in Baumarten und Altersstruktur gemischten Wald, wie er zu den eindrucksvollsten zählt, den viele von uns bisher gesehen hatten. Der Bestand ist eine von 11 Dauerbeobachtungsflächen, die die ANW gemeinsam mit dem französischen Association Futaie Irrégulière (AFI) bundesweit eingerichtet hat um die ökonomischen und ökologischen Wirkungen unterschiedlicher Formen der Dauerwald-Bewirtschaftung zu untersuchen. Ein Vorgänger-Förster hatte schon zu DDR-Zeiten schützend seine Hand über den gemischten Wald gehalten und alle Kahlhiebs- und Umwandlungsforderungen abwehren können. In den letzten Jahren hat sich dazu Dank der Jagd nun auch eine artenreiche Naturverjüngung eingestellt. Auch hier gab es neben Begeisterung und Staunen wieder ganz praktische Fragen zur Nutzung und zur Sicherung seltener Baumarten in der Verjüngung. 

AFI-Dauerbeobachtungsfläche: die Stammzahlverteilung der Durchmesserklassen nähert sich der optimalen Dauerwaldkurve an – zur Optimierung der Dauerwaldstruktur wird durch eine Strukturdurchforstung in diesem Beispiel hauptsächlich in den BHD-Klassen von 40 bis 65 cm genutzt (Quelle: Exkursionsführer Kalebsberg)

Mit von tollen Waldbildern und vielen Anregungen und Fragen vollen Köpfen, ging auch diese Exkursion am Sonntagnachmittag zu Ende. 

Die Waldbegeisterten Moritz von Maltzahn und Heike Dubbert und Holger Weinauge haben uns Waldbegeisterte ihre Wälder erleben lassen. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. 

Vielfalt in allen Etagen: das wohl eindrucksvollste Waldbild am Sonntagnachmittag 

Jakob Kunze und Philipp Kunze im September 2024 

„Vor der Holzproduktion kommt immer die biologische Vielfalt“

Arbeitstreffen bei Andreas Pommer im Revier Eibenstock, Sachsen

Das erste Arbeitstreffen 2024 der ANW Landesgruppe Brandenburg-Berlin fand am 13. und 14. Juli im Revier Eibenstock beim leitenden Revierförster Andreas Pommer statt. Die bunt gemischte Gruppe wurde zur Mittagszeit vom Gastgeber begrüßt und in das seit über 20 Jahren naturgemäß bewirtschaftete Exkursionsgebiet eingeführt. Dabei erfuhren wir, dass es in der Vergangenheit zu einer starken Stammholzentwertung durch intensive Rotwildschäle und Zuwachseinbußen durch saure Einträge aus der Kohleindustrie gekommen war. Umso beeindruckender ist die Aufwertung die das Waldbiotop in den letzten zwei Jahrzehnten durch eine konsequente Bejagungsstrategie und weitere Maßnahmen der Biotopverbesserung erfahren hat. Dazu zählt u.a. eine Waldinnenrandgestaltung mit seltenen heimischen Baum- und Straucharten, welche als Initiale für die Verbreitung in die anliegenden Waldbestände dienen. Zusätzlich sind Insektenhotels, als Ersatz für dickes Totholz im Waldinnenrand inkludiert. Außerdem fördern Amphibienteiche die Artenvielfalt im Wald, wobei die Bezeichnung irreführend ist, da sie zu über 70 % von wasserliebenden Insekten beherbergt werden.

Darüber hinaus konnte die Gruppe durch die Besichtigung eines vor kurzem durchgeführten Holzeinschlags die Entwicklung eines strukturierten Dauerwalds mithilfe der freien Durchforstung begutachten. Dieses Durchforstungsprinzip vereinigt Elemente der Hoch- und

Niederdurchforstung sowie der Positiv- und Negativ-Auslese. Als Ergebnis überzeugte die bereits erkennbare plenterwaldartige Waldstruktur mit Bäumen verschiedenster Dimensionen nebeneinander und abwechselnder dunkler und lichter Bereiche im Bestand! Gegen Abend durfte die Gruppe bei selbstgegrillten Wildburgern und wildbachgekühlten Getränken den Exkursionstag ausklingen lassen, wobei der Austausch über Gesehenes besonders gut mundete. 

Am zweiten Exkursionstag konnte sich die Gruppe vom hohem Auflauferfolg einer Weißtannen Saat mit vorheriger Bearbeitung durch ein Pferd geführtes Rillensaatgerät überzeugen lassen. Zusätzlich wurden die Vorteile einer Saat gegenüber einer Pflanzung mithilfe erfolgreicher Häher-Eichen und selbstdurchgeführter Laubstreusaaten verdeutlicht, sodass ersichtlich wurde, wie vielfältig die Möglichkeiten einer Mischwaldinitialisierung sein können.

Es folgte eine Sturmflächenbegutachtung, die nach über zehn Jahren ohne Pflege immer noch bis zwölf Baumarten pro Hektar aufwies. Diese Beobachtung stellte die Jungwuchspflege als ökonomische Investition für Forstbetriebe in einem neuen Licht dar. Das Exkursionsrevier verabschiedete sich mit eindrücklichen Waldbildern des historischen Waldortes „Riedert“, indem sich noch Relikte des natürlich vorkommenden Bergmischwalds befinden. Der in ganz Sachsen bekannte Waldbestand wies nicht nur besonders seltene Pilzarten, sondern auch die letzten elf verbliebenden Alttannen des Reviers auf. Allerdings wird die Anpassungsfähigkeit des Bergmischwaldes durch aktuelle Klimaprognosen in Frage gestellt, da für das Jahr 2050 Eichenmischwälder als zukünftige dominierende Waldgemeinschaft angenommen werden müssen.

Als Schlussakkord erklang die Musik der Realität, denn die Exkursionsteilnehmer wurden mit ganz anderen Waldbildern bei einem Besuch der angrenzenden tschechischen Fichtenmonobestände auf ähnlichen Standorten konfrontiert. So konnten die die Unterschiede verschiedener Waldbaukonzepte realitätsnah verdeutlicht werden.

„Ich weiß, es geht nicht überall. Nur dort, wo man es versucht“

Andreas Pommer

Wir danken Andreas Pommer für die eindrückliche Reviervorstellung, die sowohl reich an qualifiziertem Forstfachwissen als auch an wertvollem Wissensaustausch war. Während des Revierbegangs wurde verdeutlicht, wie vielfältig die Ansätze für eine Weiterentwicklung und Strukturierung devastierter Waldbestände sind und welche Ergebnisse bei konsequenter Umsetzung erzielt werden können.

Text: Carl-Alfred Schmidt (Eberswalde, Juli 2024) 
Fotos: Philipp Kunze 

Neuer Praxisleitfaden zum Umgang mit Störungsflächen – aus Sicht der ANW


Wie gelingt die Wiederbewaldung der zahlreichen Kahlflächen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind? Dazu hat die ANW den zwölfseitigen Praxisleitfaden „Umgang mit Störungsflächen aus Sicht der ANW“ herausgegeben. Verfasst wurde dieser von einer Arbeitsgruppe unter Leitung des bayerischen ANW-Vorsitzenden Prof. Dr. Manfred Schölch.

Die Broschüre kann in Papierform über die Landes-Geschäftsstelle (geschaeftsstelle@anw-brandenburg.de) bezogen werden:

  • von Einzelmitgliedern kostenlos
  • in größerer Stückzahl (z.B. für Veranstaltungen) zu Selbstkosten
  • für externe Interessenten gegen Gebühr und Versandkosten (so lange der Vorrat reicht)

Auf der Homepage der Bundes-ANW steht der Leitfaden zu Download bereit.

 

John Lewis-Stempel: Im Wald

Buchbesprechung

Bei dem Stichwort „Wald“ denkt man kaum an England, vielleicht nur an den Sherwood Forest mit Robin Hood. Dies ist auch kaum verwunderlich, da die Landesfläche von Großbritannien nur mit knapp 13 % Wald bestockt ist.

Ein kurzer Hinweis in einer Zeitschrift auf dieses Buch des englischen Autors John Lewis-Stempel hat mich neugierig gemacht, ich habe mir das Buch gekauft und es keinen Moment bereut.

John Lewis-Stempel ist Landwirt  und Schriftsteller (oder umgekehrt) und  bewirtschaftet einen 16 ha- Hof im ländlichen Herefordshire im Westen Englands, kurz vor der Grenze zu Wales. Er pachtet den Cockshutt Wood mit 1,5 ha, um ihn zu bewirtschaften.

Hier fängt nun der gravierende Unterschied zur aktuellen deutschen Forstwirtschaft an. Der Autor definiert Waldwirtschaft nicht als Holzwirtschaft, sondern als Teil der Landwirtschaft, wie es bei uns vor vielen Jahren auch war. Heutigen Forstleuten werden vermutlich die Haare zu Berg stehen, wenn sie lesen, wie er Schweine, Rinder, Schafe ganz bewußt in den Wald treibt, um das wuchernde Brombeergestrüpp klein zu halten und so Teile der Waldvegetation als Futter zu nutzen.  Holz ist für den Eigenbedarf da, aber auch Pilze, Beeren, Kaninchen, Grauhörnchen, Waldschnepfen etc. für das Essen. So finden sich im Buch Rezepte für Kastanienpüree, Wildapfelgelee, Eichelkaffee, Holunderblütensekt, Bärlauch-Dolmades,u.a.

John Lewis-Stempel ist ein hervorragender  Beobachter, hat ein sehr großes Wissen um Pflanzen und Tiere und beschreibt den Wald mit seinen Bewohnern bis in feinste Einzelheiten. Das Buch ist das Tagebuch seines letzten Jahres im Cockshutt Wood und man kann mit ihm die spannenden Entwicklungen im Jahresverlauf erleben.

Hier kommt nun eine weitere Besonderheit des Buches. Der Autor ist ein Poet und man muss oft seine Worte, Sätze, Gedankenverbindungen zweimal lesen, um sie richtig zu würdigen.  Sätze wie „Eintagsfliegen fallen auf den Teich und sterben wie tragische Ballerinas“ oder „Bei meinem Spaziergang störe ich das Teichhuhn auf, das fußbaumelnd flach davonfliegt und Narben auf der Wasserfläche hinterläßt.“ Solche poetischen Umschreibungen finden sich auf fast jeder Seite und erhöhen das Lesevergnügen. Auch kennt sich der Autor sehr gut in der englischen Geschichte und der ,auch antiken, Literatur aus und so gibt es viele Zitate und Hinweise für eigenes Lesen.

Man muss sich auf das Buch vorurteillos einlassen und nicht bei jedem Handeln oder bei jedem ungewöhnlichen Satz denken, da stimmt was nicht. John Lewis-Stempel schreibt mit dem feinen, typisch englischen Humor und viel Selbstironie, die, wenn man dies mag, das Buch für mich so interessant, schön und lesenswert machen. Ich habe es in einem Sitz, allerdings mit vielen Pausen zum Nachdenken, gelesen und werde es immer wieder zur Hand nehmen.

Jürgen Rosemund

John Lewis-Stempel
Im Wald – Mein Jahr im Cockshutt Wood
Verlag Dumont, Köln 2020, 282 Seiten, € 22.–


Mit der Weißtanne in der Streusandbüchse?

Wolf Hockenjos April 2017

Durch lokal überhöhte Wildbestände sind für die artenreiche Verjüngung des Waldes vielfach noch Schutzmaßnahmen erforderlich. Hier sind vor allem die Jäger gefordert. (Aus: Die Mark Brandenburg. Brandenburgs Wälder. Heft 104 – Verl. für Regional- und Zeitgeschichte, 2017.)

Nein, es war kein Aprilscherz: Am 1. April 2017 veranstaltete die ANW Brandenburg in Templin/Uckermark eine Tannentagung. Die Landesgruppe gedachte damit ihren Beitrag zu der 2017 bundesweit ausgerufenen Weißtannen-Offensive zu leisten. Aber Weißtanne in Brandenburg, in „des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“? Was mag man sich hier von dieser Baumart versprechen, weit jenseits ihres natürlichen Verbreitungsgebiets, und das auch noch unter dem Vorzeichen des Klimawandels? Die Anreise durch die Schorfheide mit ihren schier endlosen Kiefernbeständen ließ die Skepsis nochmals anwachsen, nicht zuletzt eingedenk des spätestens seit wilhelminischen Zeiten bekanntermaßen exorbitanten Stellenwerts der Jagd und der hierzulande „lokal überhöhten Wildbestände“ – Reichsforst- und Reichsjägermeister Hermann Göring, erst recht Erich Honecker und Erich Mielke lassen grüßen.

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Wolf Hockenjos – Tannenbäume

Buchbesprechung

Wolf Hockenjos
Tannenbäume
Eine Zukunft für Abies alba

DRW-Verlag Leinfelden-Echterdingen 2008, 232 Seiten, viele Fotos, € 29.90

Wenn der Name Hockenjos fällt, wissen Insider: Es geht um die „Weißen Tannen“ im „Schwarzen Wald“. Bereits der Vater Fritz Hockenjos hat als Leiter des Forstamtes St. Märgen im Südschwarzwald viel für die Weißtanne Abies alba getan und den Sohn mitgenommen zum „Tännle schützen“. Die jungen Tännchen wurden gegen Verbiss nicht mit Chemie, sondern althergebracht mit Schafwolle geschützt. Ein Bollen Schafwolle war immer in der Tasche.
So nimmt es nicht Wunder, wenn der Sohn Wolf in die Fußstapfen des Vaters Fritz stieg und als Leiter Forstamtes Villingen 25 Jahre lang die Weißtanne förderte.

Wolf Hockenjos ist ein in Schrift und Wort engagierter Förderer der Weißtanne, nicht nur im Schwarzwald, den Hauptverbreitungsgebiet von Abies alba in Deutschland.

Sein Buch „Tannenbäume“ ist ein her vorragendes Beispiel für sein Engagement und seine Fachkenntnis. Es ist weniger ein wissenschaftliches Fachbuch, sondern die Geschichte einer besonderen Baumart, an der sich sowohl die Waldgeschichte der letzten 200 Jahre als auch der gesellschaftliche Wandel ablesen lässt.

Ein detailliertes Eingehen auf die einzelnen Inhalte des Buches würde die Besprechung sprengen, aber ein Zitat der Hildegard von Bingen sei erlaubt:
„Die Tanne ist mehr warm als kalt und hat viele Kräfte in sich. Denn an welchem Ort auch immer Tannenholz ist, hassen und meiden es die Luftgeister mehr als andere Orte, und schlechter Zauber und Magie haben dort weniger Kraft.“

Diese Ansicht der Hildegard stimmt offensichtlich, wird doch das Tannenholz des Glockenstuhls vom Freiburger Münster seit über 700 Jahren gegen die „Luftgeister“ geschützt. Heute sind die „Luftgeister“ durchaus real, bewirken sie doch einen Klimawandel und so langsam besinnt man sich wieder auf die Vorzüge der Weißtanne.

Wolf Hockenjos hat den Untertitel „Eine Zukunft für Abies alba“ weder mit einem Frage- noch mit einem Ausrufezeichen versehen. Aber auf der „Weißtannentagung“ der A NW Brandenburg im April 2017 konnte man seinem fulminanten Vortrag entnehmen, dass er die Zukunft von Abies alba durchaus positiv sieht, sogar im Kiefernland Brandenburg.

Wolf Hockenjos schreibt sehr flüssig und spannend, oft liest sich das Buch wie ein Kriminalroman, was es teilweise sogar ist. Auch die vielen hervorragenden Waldbilder, vom Fichtenstangenholz bis zum Bannwald Zweribach lassen immer wieder staunen.

Wer sich für den Wald und insbesondere für die „Tanne“ schlechthin, eben Abies alba, interessiert, kann ich das Buch wärmstens ans Herz legen.

Jürgen Rosemund

Bruno Hespeler – Jägerhandwerk

Buchbesprechung

Bruno Hespeler
Jägerhandwerk

Österreichischer Jagd- und Fischereiverlag, Wien 2015
309 Seiten, viele Bilder, € 39.—

Die Ausbildung der Jäger hat sich in den letzten Jahren radikal geändert. Viele Jäger legen nach einem zweiwöchigen Crashkurs die Jägerprüfung ab. In dieser kurzen Zeit kann es natürlich nur um die Vermittlung von theoretischem Wissen, abgesehen von der Schiessausbildung, gehen. Zeit für eigene Erfahrungen im Revier bleibt da kaum. Das praktische Jägerhandwerk bleibt so zunächst zwangsläufig auf der Strecke.

Mit seinem Buch „Jägerhandwerk“ will nun Bruno Hespeler versuchen, diese Lücke zu füllen bzw. Anregungen für die Praxis zu geben, auch wenn er deutlich macht, dass eigene Erfahrungen im Revier unverzichtbar sind.
Bruno Hespeler war Berufsjäger, Revierleiter und ist nun Autor und Journalist. Aus seiner Feder stammen viele Bücher für die Jagdpraxis, er weis also wovon er schreibt.

Eine Besonderheit des Buches ist die ständige Frage nach dem Verhalten des Wildes in Beziehung zum Jäger. Ein zentraler Satz aus dem Buch: „Nur wer das Verhalten des Wildes bewusst wahrnimmt, wird als Jäger erfolgreich sein.“

Hespeler geht ganz praktisch auf alle Aspekte des jagdlichen Handelns ein, so lauten die Überschriften der Abschnitte: „Von Hoch- und Tiefsitzen“, „Das Verhalten des Wildes“, „Von Technik, die uns auseinander bringt“ (er meint hier nicht die Jäger sondern Jäger und Wild), „Was wir „Hege“ nennen..“,Die Wildverwertung“, „Ein jagdlicher Jahreslauf“.

Durch das ganze Buch zieht sich die Meinung, dass man Jagd nicht aus Büchern lernt, sondern nur im Revier erlernt und so ermuntert er den Leser im Revier die Augen auf zu machen und dabei eigenes Wissen immer wieder zu hinterfragen.

Das Buch steckt voller Erfahrungen und Hinweise für die Praxis des richtigen Jagdhandwerks. Nicht nur Jungjäger, sondern auch viele „alte Hasen“ werden neue Informationen erhalten, die manches bisher Geglaubte in Frage stellt.

Das Buch ist mit € 39.— nicht ganz billig, aber der Inhalt lohnt jeden Euro und auch die Aufmachung des Buches ist erstklassig.
Dass Bruno Hespeler die deutsche Sprache virtuos handhabt, muss wohl nicht extra betont werden, er hat dies in vielen Büchern und unzähligen Berichten in den verschiedensten Medien bewiesen. Er ist auch ein ausgezeichneter Vortragsredner und Exkursionsführer.

Jürgen Rosemund

Lars Mütting – Der Mann und das Holz

Buchbesprechung

Lars Mytting
Der Mann und das Holz
-Vom Fällen, Hacken und Feuermachen

Insel-Verlag Berlin 2014, 222 Seiten, viele Bilder und Zeichnungen, € 18.—

Das Buch war für mich eine Zeitmaschine und hat mich 50, 60 Jahre zurück in meine Jugend versetzt.
Fast alles was in diesem Buch steht, haben wir damals gewusst und gemacht, auch ohne Physik-Studium. Es handelt vom Holz als Energiequelle. Lars Mytting ist Norweger und in seiner Heimat, insbesondere in den ländlichen Gebieten, ist heizen und kochen mit Holz noch weit verbreitet, also eine normale Energiequelle.
Das Buch beschreibt den Weg vom Wald, z.B. wie viel Fläche mit welchen Bäumen für eine Familie als Heizung ausreicht, wann und wie das Holz gefällt, getrocknet und gestapelt wird. Gerade die Kunst des Holzstapels nimmt einen breiten Raum des Buches ein. Der Unterschied zwischen feuchtem und trockenem Holz, zwischen den verschiedenen Baumarten wird deutlich. Es gibt viele gute Tipps zum richtigen Feuer, um Holz möglichst effizient zu verbrennen, ebenso Tipps für den richtigen Ofen oder Küchenherd.

Bei der Lektüre dachte ich oft, dies mag ja für Norwegen aktuell sein, aber bei uns ist wohl nur noch Nostalgie. Dann habe ich aber mal im Internet nach Holzöfen und Küchenherden gesucht und eine unübersehbare Anzahlt der verschiedensten Typen gefunden. Bei einem derartig breiten Angebot muss es auch viele Käufer geben, die offenbar auch hier wieder das Holz als Heizmaterial entdecken. Ist dies nun Nostalgie oder Klimaschutz?

Leider richtet sich der Titel des Buches nur an Männer. Frauen kommen im Buch auch wenig vor, obwohl doch das Thema „kochen“ und „heizen“ auch viele Frauen interessieren wird.
Lars Mytting schreibt locker, interessant und informativ, es ist so richtig ein Buch für kalte Winterabende.

Jürgen Rosemund

Helen Müri – Die kleine Wildnis

Buchbesprechung

Helen Müri
Die kleine Wildnis

Haupt-Verlag, Bern 2015, 225 Seiten, viele Bilder, Zeichnungen, Grafiken, € 36.–

Dies ist ein Jagdbuch der besonderen Art, es spielt sozusagen im Erdgeschoss des Reviers. Der Untertitel lautet „Einblicke in die Lebensgemeinschaft der kleinen Raubsäuger und ihrer Beutetiere in Mitteleuropa“. Die Jäger sind also Hermelin und co. und die Beute Mäuse und co. All dies geschieht in der Regel unterhalb unserer Wahrnehmungsebene. Wir sehen wohl einmal einen Marder, ein Hermelin, Mäuse, Amphibien, Vögel usw, aber das Beziehungsgeflecht der Akteure können wir nicht erkennen.

Dieses Beziehungsgeflecht hat die Autorin in den Mittelpunkt ihres Buches gestellt und da die einzelnen Akteure uns durchaus bekannt sind und sich alles vor unserer Haustür abspielt, ist es wirklich spannend zu lesen.

Das Buch beginnt mit den Worten: Wildnis pur – das gibt es direkt vor unserer Haustür.“
Diese Aussage wird dann im Buch mit immer neuen, auch überraschenden Fakten untermauert. Dabei stellt die Autorin auch manches anders dar. So ersetzt sie z.B. die bekannte Nahrungspyramide vom Bodenlebewesen zum Raubsäuger durch ein Beziehungsgeflecht, wo man gut erkennen kann, dass der Fuchs eben nicht nur Mäuse, sondern auch Wirbellose und Früchte frißt.

Die Lebensgemeinschaften und ihre Vernetzungen ist das Hauptanliegen der Autorin und diese schildert sie sehr spannend und informativ, manche liest sich wie ein Krimi. Dabei stellt sie auch kritische Fragen, wie z.b.B zur bisherigen Naturschutzpraxis dem Schutz einzelner Arten und Biotope. Sie wirbt für eine Gesamtsicht der Lebensgemeinschaften und zieht manchen anderen Schluss, z.B. statt Schutz eine andere Nutzung.

In Ihrem Buch schildert die Autorin anschaulich, wie die Veränderung einzelner Arten, z.B. Zu- oder Abnahme, Auswirkungen auf das gesamte Beziehungsgeflecht hat, die oft unvorhersehbar sind. Hier schreibt sie auch über die Rolle des Menschen in der Lebensgemeinschaft, der wir angehören, ob wir wollen oder nicht. Wenn sie über Rückkoppelungen schreibt, klingt auch leise die Frage an, welche Rückkoppelungen menschliche Aktivitäten auf uns Menschen haben oder haben werden.

Ich habe den Anfangssatz des Buches zitiert und will nun auch den letzten Satz zitieren:
„Da müssen wir uns wohl ganz grundsätzlich mit der Frage befassen, in wie weit der Mensch als Mitglied der Lebensgemeinschaft gleichen Basisgesetzen unterworfen ist wie die Tiere oder ob in gewissen Fällen die kulturellen Errungenschaften des Menschen solche Gesetze ausser Kraft setzen können“.

Das Buch ist in meinen Augen viel mehr, als ein Fachbuch über Raubsäuger, sondern ein Ansporn die Augen für die kleinen und die komplexen Dinge des natürlichen Lebens zu öffnen. Ausserdem enthält es viele tolle Bilder von den kleinen, oft wenig sichtbaren Tieren. Ich kann es wirklich sehr empfehlen.

Jürgen Rosemund