Waldbauliche Potenziale der Weißtanne in Brandenburg

Am Morgen des 1. April 2017 konnten die Einwohner des kleinen Dorfes Gandenitz (300 EW) eine erstaunliche Invasion beobachten. Fast 100 Besucher belegten jeden nur möglichen Parkplatz und strömten in das Gasthaus „Zur Linde“ zur „Weißtannen-Tagung“ und folgten damit der Einladung der ANW Brandenburg.

Dietrich Mehl, Vorsitzender der ANW Brandenburg begrüßte die zahlreichen Gäste und übergab dann die Leitung der Tagung an Michael Duhr, der zusammen mit Andreas Schulze, diese vorbereitet und organisiert hatte.

Nach einer kurzen Einführung über Sinn und Zweck der Tagung, nämlich der Frage ob die Weißtanne eine Zukunft in Brandenburg haben kann, stellte er den ersten Redner der Tagung vor.

Wolf Hockenjos, der „Vater der Weißtanne“ aus dem Schwarzwald, wirbt seit Jahrzehnten in Wort, Schrift und Bild für die Weißtanne und so war auch sein Vortrag „Die Tanne, eine Zukunft für Abies Alba?“, ein engagiertes und emotionales Plädoyer für die Weißtanne. In Anlehnung an die Buche, als „Mutter des Waldes“, titulierte er die Weißtanne als „Mutter der Nadelhölzer“. Nach seiner Meinung hat sie auch gute Chancen in Brandenburg.

Im nächsten Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Schwarz „Optionen zur Verwendung von Tannenholz“ ging es inhaltlich um die Frage der Wirtschaftlichkeit von Tannenholz. Prof. Schwarz räumte mit dem Vorurteil auf, dass die Weißtanne schlecht zu vermarkten und schlecht zu bearbeiten sei. Er zeigte an vielen Beispielen, wie dauerhaft und wertvoll Weißtannenholz ist. Natürlich muss man auch bei der Weißtanne, wie bei anderen Holzarten, die besonderen Eigenschaften beachten. Für die Vermarktung von Weißtannenholz sollte grundsätzlich mindestens eine LKW Ladung zusammen kommen. Prof. Schwarz sah Potenziale für Weißtannenholz bei der Herstellung von Lamellen. Er ging davon aus, dass hierzu eine Mindestmenge von 600.000 fm (Zopf 40 bis 60cm) über einen Zeitraum von 10 Jahren auf dem Markt vorhanden sein muss, um 2 Verarbeitungsbetriebe im Land Brandenburg zu versorgen.

Weiter ging es mit dem Vortrag von Prof. Dr. Peter Spathelf „Waldbauliche Optionen mit Weißtanne in Brandenburg“. Prof. Spathelf referierte in seinem Vortrag zur Anpassungsfähigkeit der Weißtanne, zur genetischen Vielfalt, zum Wachstum und schließlich zum Klimarisiko der Weißtanne. Basierend auf den Erfahrungen aus Anbauversuchen in der Landewaldoberförsterei Doberlug skizierte er einen möglichen Bestandeszieltyp mit führender Weißtanne in Brandenburg. Dieser sollte insbesondere auf terrestrischen Standorten der Nährkraftstufen K bis M in den Klimastufen Tf und Tm realisiert werden. Aber auch wechselfeuchte und mineralische Nassstandorte hält Prof. Spathelf für geeignet. Als Misch- oder Begleitbaumart ist die Tanne auf entsprechenden Standorten im Kiefern-, Buchen- oder im Douglasienmischwald denkbar.

Der Forstbezirk Eibenstock in Sachsen ist das Mekka der Weißtannenfreunde in Ostdeutschland. Stephan Schusser, der Leiter des Forstbezirkes, zeigte in beeindruckenden Bildern und mit viel Engagement die Erfolge bei der „Etablierung der Weißtanne im Forstbezirk Eibenstock“. Besonders ging er auf die Sortimente, die Herkünfte und die Pflanz- sowie Saatverfahren ein, die zur erfolgreichen Etablierung von Weißtannenverjüngungen notwendig sind.

Als Einstieg in die Exkursion am Nachmittag referierte Jürgen Schuppelius über die „Weißtannenbewirtschaftung im Stadtforst Templin“. Unter dem Aspekt der Produktverbreiterung und der Klimaveränderung arbeitet die Stadtforstverwaltung Templin schon seit vielen Jahren mit der Weißtanne, um die Wälder zu stabilisieren und wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen. Schuppelius wies auf die besondere jagdliche Situation hin. Der städtische Eigenjagdbezirk besteht im Exkursionsteil aus einem ca. 800 Meter schmalen Waldstreifen. Die angrenzenden Jagdnachbarn verfolgen nicht das waldbauliche Ziel, Verjüngungen ohne Schutzmaßnahmen etablieren zu können. Die Verjüngung von Buchen und Eichen gelingt in diesem städtischen Wald, die Verjüngung von Weißtannen geht aber in diesem Revierteil nur im Zaun.

Nach einer kurzen Mittagspause mit Suppe, Würstchen und vielen Fachgesprächen ging es dann in den Templiner Wald, um die Weißtanne vor Ort zu sehen.

Am Exkursionspunkt 1 wurden vor 14 Jahren Weißtannen im Zaun streifenweise ich einen jetzt 140- jährigen Buchbestand auf einem K2 Standort gepflanzt. Die Weißtannen entwickelten sich gut. Aufgrund der Buchenkonkurrenz in der Verjüngung entschied sich der Revierleiter Christian Hirdeis, die gleichwüchsige Buchenverjüngung für die Weißtanne zurückzuschneiden. Über die Notwendigkeit dieser Maßnahme wurde naturgemäß rege diskutiert. Es wurde deutlich, dass die Weißtanne als Schattbaumart hervorragend zur Komplementierung von Buchenverjüngungen geeignet ist.

 

Am Exkursionpunkt 2 wurde uns mit 39 Meter Höhe die höchste ca. 200 Jahre alte Weißtanne Brandenburgs gezeigt. Wie die Weißtannen in diesen Bestand kamen, lässt sich leider nicht mehr recherchieren. Es handelt sich um einen ca. 90 jährigen Mischbestand aus Rotbuche, Eiche, Kiefer, Fichte auf einem K2 Standort. Obwohl der aufstockende Bestand aufgrund der gemischten Baumartenvielfalt eigentlich eine gute Basis für gemischte Verjüngungen bieten sollte, konnte man ausschließlich Buchen, Eichen und Ahorn in der Verjüngung finden. Einzelne Weißtannen-Pflänzchen waren vorhanden, aber extrem verbissen. In der Diskussion wurde der Vorschlag unterbreitet, die Fläche versuchshalber zu zäunen.

Am Exkursionspunkt 3 fanden die Teilnehmer einen 55 jährige, geasteten und gezäunten Weißtannenbestand mit 115 jährigem Überhalt aus Douglasie, Roteiche und Buche auf einem K2 Standort vor. Bei der Frage, wie der Bestand durchforstet werden soll, gingen die Meinungen weit auseinander. Ein Teil der Exkursionsgruppe favorisierte die Auswahl von Z-Bäumen und deren konsequente Begünstigung, kombiniert mit der behutsamen Ernte einzelner Exemplare des Überhalts. Der andere Teil der Exkursionsgruppe forderte eine Plenterung des Bestandes. Angelehnt an die Stammzahlverteilung einer Plenterkurve, sollten einzelne schlechtwüchsige Weißtannen entnommen werden. Dadurch würden die mittleren Durchmesser nicht unverhältnismäßig stark dezimiert und es gäbe Möglichkeiten für die Etablierung von Weißtannenverjüngungen, die in der Plenterkurve des Bestandes bisher fehlen.

In der Abschlussdiskussion wurden der Weißtanne durchaus Potenziale im Land Brandenburg zugesprochen. Diese liegen eindeutig in dem von Prof. Spathelf skizzierten Standortsspektrum. Die Weißtanne stellt hier als Schattbaumart eine echte heimische Nadelbaumalternative zur Kiefer oder Douglasie dar. Unbeantwortet blieb allerdings die Frage, ob die Weißtanne aufgrund der Verordnung des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin in Biosphärenreservatsflächen verwendet werden darf. Falls dies möglich sein sollte, ergibt sich mit der Weißtanne eine heimische Nadelbaumalternative in naturgemäßen Wirtschaftswäldern in Biosphärenreservatsflächen.

Insgesamt war die Tagung rundum erfolgreich. Die Teilnehmer konnten viele neue Erkenntnisse zur Weißtanne in Brandenburg mitnehmen und so war es auch ein guter Einstieg in die „Weißtannen-Offensive“ des ANW Bundesverbandes. Die Präsentationen befinden sich auf der Website der ANW Landesgruppe Brandenburg (www.anw-brandenburg.de) .

Allen Vortragsrednern, den Exkursionsführern und den Organisatoren (sie hatten auch das gute Wetter eingeplant) sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt, es war ein schöner und lehrreicher Tag.

Jürgen Rosemund
Andreas Schulze