Protokoll „Zukunftswerkstatt Jagd“ 28.11.18

 

Die oberste Jagdbehörde im MLUL organisierte die „Zukunftswerkstatt Jagd“ für jeweils 2 Vetreter aller mit Jagd betroffenen Behörden und Verbänden im Land Brandenburg.

Das Protokoll von Herrn Nass finden Sie hier bzw. nachfolgend.

Als Moderatoren konnten durch das MLUL Herr Prof. Dr. Beimgraben (Professur für Wildökologie und Jagdwirtschaft, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg) und Herr Prof. Dr. Schraml (Leiter der Abteilung Wald und Gesellschaft an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt, Freiburg) gewonnen werden.

Der Abteilungsleiter „Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Forsten“, Herr Eduard Krassa begrüßte die Teilnehmer und stellte das Ziel dieser als Kombination aus Impulsvorträgen und Workshop durchgeführten Veranstaltung als vertrauensbildende Maßnahme aller Beteilgten und als Neuanfang für zukünftige Interaktionen vor.

Herr Prof. Dr. Werner Beutelmeyer, Vorstand und Geschäftsführer Market Institut (Linz) in Österreich und selbst Jäger, referierte sehr eindringlich über „Jagd 2030 – Wie entwickeln sich Jagd und Jäger in Deutschland?“

Die Entfremdung zwischen Jägern und urbaner Gesellschaft ist unübersehbar. Der moderne Städter habe “so seine Zweifel an der Jagd und besonders mit den Jägern.” Auf der anderen Seite gelinge es den Jägern immer weniger, ihr Tun glaubwürdig zu erklären.

Das „Warum braucht´s die Jagd“ sei schwer zu vermitteln. Einerseits herrsche “bestenfalls blanke Ahnungslosigkeit” beim Städter, wenn es um das Thema Jagd geht, vielfach weiche jedoch das Wissensvakuum massiven Vorurteilen. Und zum anderen habe der Jäger ein gravierendes Glaubwürdigkeitsproblem. Zu viele Pannen seien in der Vergangenheit passiert – und meistens war das Krisenmanagement danach eher schlecht – dann ist ein schwerwiegender Kollateralschaden für die Jagd unvermeidlich.

So mancher Waidmann sehe die heranziehenden Gewitterwolken aber noch nicht, denn der Veränderungsdruck bzw. das Veränderungstempo in Sachen Einstellung zur Jagd ist unterschiedlich. Dort wo es ländlich zugehe,  sei das Tempo der Veränderung deutlich niedriger.

Der Städter oder der urbane Moderne werde immer mehr zum Freizeitkonkurrenten des Jägers. Es entstehe ein Wettbewerb um die Natur sowie um deren Nutzung in der Freizeit. Der Städter liebt “die Natur”, Wissen über die Zusammenhänge fehle jedoch nahezu völlig. Während Naturschutz an Bedeutung und Glaubwürdigkeit gewinne und immer höhere Spendenvolumen erziele, befände sich die Jagd auf dem Rückzug. Der Jagd sei es nicht gelungen, ihre Naturkompetenz zu vermitteln. Wenn es um die Natur gehe, verlässt sich der urbane Moderne nicht auf die Aussagen der Jagd, sondern vertraut eher dem Naturschutz.

Die Jagd sei derweil mit sich selbst beschäftigt: Macht rote und grüne Punkte auf Trophäen und beschwert sich über neue Beutegreifer wie Luchs, Wolf und Bär. Häufig werde die Tradition beschwört. Aber Tradition schützt vor Veränderung nicht.

Der Lebensraum für Wildtiere wird eingeschränkter, die Herausforderungen der Jagd nehmen zu und gleichzeitig lässt die Professionalität der „modernen“ Jäger nach. Das Jagdwissen nimmt ab – mehr Theorie und weniger Praxis – und die Verwendung illegaler Jagdmittel nimmt zu. Gleichzeitig haben die Jäger immer weniger Zeit für die eigentliche Jagdpraxis – einen Jagdgebrauchshund bilden immer weniger aus. Für die Jagd sei der Megatrend „des Verlustes an handwerklichen Fertigkeiten“ wohl die stärkste Zukunftsherausforderung neben der Verbesserung der Dialogfähigkeit mit der Öffentlichkeit.

Thesen für 2030:

  • Die Wertschätzung der Natur nimmt deutlich zu. Gleichzeitig nimmt das Naturverständnis und die Naturerfahrung ab.
  • Die „urbanen“ Natur-Egoisten werden mehr. Die einzelnen Nutzer-Zielgruppen reklamieren die Natur für sich.
  • Den Jägern gelingt es zunehmend weniger, glaubwürdig Naturkompetenz zu vermitteln.
  • Die Jäger können das „Warum“ der Jagd nicht ausreichend erklären.
  • Die Ablehnung der Jagd nimmt in der Gesellschaft deutlich zu.
  • Die Jagd verliert an Professionalität. Sie wird vermehrt nur Freizeitbeschäftigung mit Netzwerknutzen.
  • Das Jagdwissen und die Praxiserfahrungen nehmen dramatisch ab. Die Jagdkultur erlebt massive Erosion.
  • Zeit wird immer knapper – auch für die Jagdpraxis. Das Führen von Jagdhunden tut sich der Jäger 2030 kaum mehr an.
  • Es kommt zu Liberalisierung verschiedener, derzeit noch als illegal geltender Jagdmittel. Dazu zählen vor allem die Verwendung von Nachtsichtgeräten, Scheinwerfern, die Jagd zur Nachtzeit auf Hochwild sowie der verstärkte Einsatz von Kirrungen um zu raschem Jagderfolg zu kommen.
  • Das Ansehen der Jagd wird 2030 massiv in Schieflage geraten.

Das diese Thesen nicht so eintreten, ist meiner Einschätzung nach die größter Herausforderung für Jagdverbände und Jäger, aber auch für die ANW!

Herr Dr. Carsten Leßner, Referatsleiter „Wald und Forstwirtschaft, oberste Jagdbehörde“, hielt einen Impulsvortrag „Wo steht die Jagd in Brandenburg“ – Beobachtungen der obersten Jagdbehörde“, in dem insbesondere die Jagdstrecken verschiedener Wildarten in einer Jahresreihe bis zum vergangenen Jagdjahr ausgewertet wurden. Dabei wurde deutlich, dass die Schalenwildstrecken in den letzten 50 Jahren teilweise um 1.000 % (!) angestiegen sind.

Anschließend fanden 2 parallele Workshops statt, an denen jeweils 1 Verbands- bzw. Behördenvertreter teilnahm. Ein Thema widmete sich dem „Anliegen der Verbände an die oberste Jagdbehörde“ und im anderen Workshop wurden „Grundlagen einer gelingenden Zusammenarbeit“ erörtert.

Die Workshops, die Vorstellung und die Diskussion der Ergebnisse wurden durch die Moderatoren begleitet.

Insgesamt war es eine sehr gelungene und konstruktive Veranstaltung, die allerdings durch die massive und teilweise unsachliche Kritik von Vertretern des Landesjagdverbandes sehr getrübt wurde.

Burkhard Nass