In Karelien wachsen die Bäume noch langsamer als bei uns und so hat es auch mit unserem Bericht doch länger gedauert… Bericht
Im Oktober 2017 erreichte uns über den Vermittler Dr. Zoltan Sabov eine Einladung der Sankt Petersburg State Forestal Technical University (SPSFTU) zu einer Exkursion in die karelischen Wälder und Sankt Petersburg.
Nach kurzer Überlegung nahmen wir die Einladung an, bot sich hier doch ein hochinteressanter Einblick die die russische Forstwirtschaft, zumindest in deren eurpäischem Teil.
Die Vorbereitungen klappten rechtzeitig und so versammelten sich am Samstag, den 08.09.2018 insgesamt 47 Mitglieder und Gäste auf dem Flughafen Berlin – Schönefeld zum Flug nach Sankt Petersburg. Nach reibungslosen Flug, wenn auch zeitaufwändigem Ein- und Auschecken , mit doppelten, dreifachen Passkontrollen und Leibesvisitation landeten wird wir wohlbehalten in den Armen unseres Vermittlers Dr. Zoltan Sabov und unserer russischen Betreuerin Prof. Svetlana Tereshchenko, SPSFTU.
Am Sonntag ging’s dann zur ersten Busfahrt Richtung Nordwesten in den Lindulovskaja.- Wald, ein Naturschutzgebiet nicht weit von der Küste des Finnischen Meerbusens entfernt. Der Gründer von Sankt Petersburg, Zar Peter I (1672 – 1725), wollte den Handel mit Westeuropa stark intensivieren und hat dazu den Schiffsbau gefördert. Für Masten und Stengen der Segelschiffe, war die Sibirische Lärche (larix sibirica) sehr gut geeignet und so ließ er die Bäume an der Küste der Ostsee, eben auch in Lindulovskaja pflanzen.
Dieser Wald zeigt eine Problematik des Naturschutzes auf. Die Sibirischen Lärchen wurden aus ökonomischen Gründen in ein fremdes Biuotop gepflanzt. Nachdem durch die Entwicklung der Dampfschifffahrt die Bäume nicht mehr gebraucht wurden, wuchsen sie weiter und wurden dann unter Naturschutz gestellt. Damit hörten menschliche Eingriffe in das Naturschutzgebiet auf und andere Baumarten, Gebüsch und Bodenbewuchs können sich ausbreiten. Die Sibirsche Lärche braucht aber Licht am Boden zur Vermehrung und so gab es keine Jungpflanzen. Wenn die Bäume ihr Endalter in etlichen Jahrzehnten/Jahrhunderten erreichen und absterben, werden sie aus dem Gebiet verschwinden. Was ist dann mit dem Naturschutz? Kulturschutz mit entsprechner Pflege wäre vielleicht besser gewesen.
Auf der Rückfahrt machten wir noch einen Abstecher nach Kronstadt auf der Insel Kotlin, die seit einiger Zeit durch Brücken und einen Damm mit dem Festland verbunden ist. Kronstadt war bis vor ca. 20 Jahren eine Festung, die den maritimen Zugang zu Sankt Petersburg geschützt hat. Sie wude nie erobert und ist besonders durch die Matrosenaufstände Anfang des 20. Jahrhundert bekannt.
Am Montag, den 10.09.2018 folgten wir der Einladung in die SPFTU, wo uns zuerst Professor Alexander S. Alekseev über die Situation des russischen Waldes informierte. Die Zahlen sind atemberaubend. Bei der Gesamtfläche Russland’s mit 17,1 Millionen qkm (50mal größer als die BRD) sind 69 % = 11,8 Millionen qkm Wald. Von dieser Waldfläche können ca. 30 % nicht genutzt werden, entweder sind sie nicht zugänglich oder bewusst geschützt.
Anschließend machte uns Professor Alexander Dobrowolski mit den wirtschaftlichen Fakten des Waldes und mit der russischen Administration bekannt.
Mehr konkrete Zahlen würden dieses Bericht sprengen. Die beiden Vorträge können als PowerPoint-Dateien von unserer Geschäftstelle zur Verfügung gestellt werden.
Die SPSFTU ist die älteste Forstuniversität in Europa (der Welt?) und betreibt seit nunmehr fast 200 Jahren Versuche zum Wald in Lisino, ca. 90 km südlich. Diese Versuchsflächen besuchten wir am nächsten Tag.
Die folgenden Tage führten uns in die umliegenden Wälder Kareliens.
An verschiedenen Waldbildern konnten wir die Baumartenzusammensetzung und die aktuelle Wirtschaftsweise in Karelien kennenlernen. Forstliche Nutzungen finden überwiegend im Kahlschlagsbetrieb statt. Pflegekonzepte, wie sie in Deutschland üblich sind, spielen eine untergeordnete Rolle. Trotzdem gibt es erste Ansätze zur Erprobung von Durchforstungskonzepten, z.B. in jungen, qualitativ hochwertigen Birkenbeständen, und auch in jüngeren Nadelholzbeständen. Sowohl die Universität in Sankt Petersburg, als auch ein privater Forstdienstleister haben uns dazu Versuchflächen vorgeführt. Von besonderer Bedeutung für alle forstlichen Arbeiten ist die Erschließung dieser riesigen Wälder unter den oft äußerst schwierigen Standortsverhältnissen, da diese oft von sehr hoch anstehendem Grundwasser geprägt sind. Auch die Kahlschlagswirtschaft, von der wir einige Beispiele anschauen konnten, steht in einem gewissen Zusammenhang mit dieser Problematik. Allerdings gibt es auch in diesem Bereich erste Bestrebungen (im privaten Dienstleistungsbereich), die Kahlschlagsgrößen zu reduzieren.
Sehr auffällig war, dass im Prinzip alle Waldflächen natürlich mit Aspe, Birke, Kiefer und teilweise Fichte verjüngt werden könnten, die Ziele der russischen Forstverwaltung aber in einer deutlichen Erweiterung des Nadelholzanteiles liegen und deshalb ausschließlich Pflanzung von Nadelholz (i.W. Fichte) als Wiederaufforstung nach Kahlschlag vorgeschrieben ist.
Wir konnten auch zwei Sägewerke besuchen. In diesen fand überwiegend eine Wertoptimierung von relativ schlechtem Holz zur Weiterverarbeitung in anderen holzverarbeitenden Betrieben statt. Vor dem Hintergrund einer bestehenden FSC-Zertifizierung dieser Werke, war insbesondere die Situation im Bereich Arbeitsschutz und Unterbringung besorgniserregend.
Am Rückflugtag gab es noch einen Abstecher zum Schloss Peterhof. Gelegen am Hochufer über dem Finnischen Meerbusen mit einem tollen blick über das Meer hat Zar Peter seinen guten Blick für günstiges Gelände bewiesen. Nach einem kleinen Regenguss glänzte Schloss, Park und vor allem die wunderschöne Kaskade vom vielen Gold.
Mit einem Blick auf die Archichtektur im 21. Jahrhundert des ca. 20 km entfernten Gazprom Towers verabschiedeten wir uns von Sankt Petersburg und flogen heim.
Es war ein ganz tolle Reise, sie hat uns einen sehr guten Einblick in die dortige Forstwirtschaft verschafft. Besonders beeindruckt hat uns der Kontakt mit den Menschen, die uns immer mit viel Freundlichkeit und Offenheit begegnet sind. Besonders bedanken wir uns für die ausgezeichnete Organisation und gute Führung bei Frau Professor Svetlana Tereshchenko und bei Herrn Dr. Zoltan Sabov, die hauptsächlich zum Gelingen der Reise beigetragen haben.
Jürgen Rosemund / Dietrich Mehl