Arbeitstreffen Hohenleipisch

Bericht von Angela Steinmeyer

Bild: L.Freytag

Familie Freytag, FSC und PEFC zertifizierter Forstbetrieb lud die ANW Brandenburg – Berlin und Gäste ein, in ihrem Wald bei Hohenleipisch zu verschiedenen Waldbildern und Themen am 06. April 2019 zu diskutieren. Dies bewog viele Mitglieder und Mitgliederinnen aus ganz Brandenburg, den weiten Weg ins Dreiländereck Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen auf sich zu nehmen. Daneben nahmen ein Vertreter des Landrates und die Leitung der Naturparkverwaltung Niederlausitzer Heidelandschaft teil, sowie im Landkreis für Naturschutz und Landschaftsplanung zuständige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

International wurde das ganze durch die Teilnahme des argentinischen FSC-Geschäftsführer Esteban Carabelli, der gerade auf Besuch bei Dirk Riestenpatt und Angela Steinmeyer war und gerne der Einladung zur Teilnahme an der Exkursion folgte.

Was kennzeichnet nun den Forstbetrieb und was sollte man wissen, bevor man einsteigt in Diskussionen um betriebliche Ziele rund um die Waldbewirtschaftung.

Zunächst sei gesagt, dass es sich hier um ein Waldgebiet handelt, das während des 2. Weltkrieges militärisch als Munitionsnachschubanstalt für die Luftwaffe genutzt wurde und zwischen 1945 bis 1994 Sonderwaffenlager der Sowjetarmee war. 30 Hallen, Häuser, Wachtürme und 99 Munitonsbunker wurden in den bestehenden Wald gebaut und zurückgelassen. Es fielen somit der militärischen Nutzung keine Waldflächen zum Opfer. Eine Waldbewirtschaftung fand während der militärischen Nutzung auch nur in einzelnen Fällen statt. Nachdem die Russen 1994 abgezogen waren, wurden die Flächen durch das Land Brandenburg zum Kauf angeboten.

Dies war die Stunde von Familie Freytag. Sie erwarb den Wald und die Liegenschaften und mit diesen im Zusammenhang stehende Konditionen hinsichtlich Munitionsbelastung und Naturschutzzielen. Der 328 ha große Forstbetrieb liegt in zwei Naturschutzgebieten (NSG Hohenleipisch und NSG Forsthaus Prösa) und dem Naturpark. Ein 90 ha großes Totalreservat, das jegliche menschliche Einflussnahme verbietet, FFH-Lebensräume von über 10 Fledermausarten und eine Auerwild Wiedereinbürgerungsinitiative in der Region machen das Wirtschaften spannend und abwechslungsreich.

Auf Munitionsbelastung und lokale Einzelinteressen der örtlichen Bevölkerung wollen wir hier nicht näher eingehen. Es soll hier nur soviel gesagt werden, dass das familiäre Engagement durch achtsames und ausgeglichenes Handeln in der Region zu einem guten Miteinander geführt hat.

Der Wald wird durch Traubeneichen und Kiefern geprägt. Die Traubeneichen sind oft Altbäume (120 – 200 Jahre), die Kiefer mit durchschnittlich 80 Jahren überwiegt im Oberstand. Im Schnitt stehen 290 fm auf dem Hektar Sandboden. Der Naturpark wird charakterisiert durch eines der größten zusammenhängenden Traubeneichenwaldgebiete Mitteleuropas. Schwarzstorch, Mittelspecht und Hohltaube haben ideale Brutbedingungen. 12 ha Offenland mit Heide und Magerrasen gehören zum Betrieb. Hier trifft man auf Brachpieper, Grauammer, Steinschmätzer, Rebhuhn, Wachtel und Ziegenmelker.

Durch ein straffes Jagdmanagement hat eine intensive Naturverjüngung der Traubeneiche eingesetzt. Aber auch Ahorn, Buche, Birke, Kiefer, Roteiche und spätblühende Traubenkirsche finden sich ein.

Der 371 ha große Eigenjagdbezirk schloss sich 2015 zu einer Interessengemeinschaft mit anderen Waldbesitzern (Deutsche Bundestiftung Umwelt (DBU), Landesbetrieb Forst Brandenburg (LFB), Naturschutzbund (NABU), andere Privatwaldeigentümer) innerhalb der Hegemeinschaft zusammen. Über einen Gruppenabschuss konnten anfangs 70 Stück Schalenwild (Rot- und Rehwild) / Jahr erlegt werden, der nunmehr nur noch bei 25 Stück/ Jahr liegt. Die Bejagung erfolgt an 2-5 Tagen im Jahr extensiv mit 30 – 40 Schützen und Einzeljagd erfolgt nur für die „Küche“.

Am ersten Exkursionspunkt am Rand des Totalreservates stehen wir in Eichenwald-Lebensräumen mit Blick auf einen oberirdischen Bunker, der verschiedenen Fledermausarten als Winterquartier dient. Maik Korreng, Fledermausexperte, erläutert die Bemühungen, die die Familie Freytag zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe und der privaten Fledermausschutzinitiative unternommen haben, diese Bunker durch Verschluss der Eingangsbereiche attraktiver zu gestalten. Auch der Wald gerät in den Fokus der Diskussion. Jede Fledermausart hat andere Ansprüche an ihre Jagdreviere und ihre Schlafplätze. Vertragsnaturschutz kann hier ein hilfreiches Instrument sein.

Bild: A. Steinmeyer

Die Diskussionen gehen in verschiedene Richtungen. Was ist naturschutzfachlich sinnvoll und betriebswirtschaftlich tragbar? Am Ende wird deutlich, dass der Familie sehr bewußt war und ist, dass sie hier keinen Wald gekauft haben, den es gilt, ausschließlich ökonomisch in einen Mehrwert zu führen, sondern naturschutzfachlich geforderte Ansprüche mit entsprechenden Managementmethoden in ihre betriebliche Ziele zu integrieren sind. Die Lichtraumprofile der Wege frei zu schneiden und besonders attraktive Einzelbäume für die Mopsfledermaus zu erhalten, sind nur einige der Maßnahmen, die naturschutzfachlich gefordert sind und sich in die betriebliche  Strukturierung der Waldbereiche integrieren lassen. So wurden viele Artenschutzmaßnahmen im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aber auch Fördermittel der Naturschutzstifung, hier umgesetzt. Eine winwin-Situation würde man sagen.

Gut 50% des betrieblichen Umsatzes machen diese und andere naturschutzfachlich geforderten  Maßnahmen aus. Einige weitere Beispiele sehen wir an diesem Tag.

Kontrovers wurde diskutiert, ob wirklich so manche Maßnahme immer richtig ist. Auch die Frage, ob der (Vertrags-)Gegenstand des Vertragsnaturschutzes die Durchführung von Maßnahmen oder eher deren eingetretener Erfolg sein sollte, bewegte die Diskutierenden. Man neigt doch oft zu Handlungen aus einem inneren Antrieb, den die Natur vielleicht nicht immer so weiter verfolgt, wie man dachte. So werden am Ende die Fledermausarten entscheiden, ob sie bleiben wollen. Nicht jede der zur Zeit angetroffenen Arten wird bleiben, da die Ansprüche jeder einzelnen Art sich dann doch zu sehr unterscheiden. Die, die lichtere Partien brauchen, werden ggf. gehen, wenn der Wald sich verjüngt und in eine Phase wächst, die zu dunkel für diese Fledermausart wird. Dann ist es so. Da ist sich die Familie Freytag und auch die Naturschutzverwaltung einig. Lebensräume entwickeln sich, der Mensch kann lenkend eingreifen, um für einen ökosystemar kurzen Moment etwas für eine spezielle Art günstiger zu gestalten. Es bleibt eine Momentaufnahme. Etwas laufen zu lassen und bewußt die Zeit und seine Veränderungen zu beobachten und anzunehmen, ist uns als FörsterIn und WaldbesitzerIn nicht fremd, und dann juckt es doch immer wieder, für eine besondere Art etwas besonderes zu tun.

Das führt unseren Blick in das benachbarte Totalreservat, wo es gilt nichts zu tun. Eichen, Kiefern und Rotbuchen im mittleren (BHD 35-50) bis starken (BHD 50-75) Baumholz im Oberstand, Anwüchse (< 1,5 m Höhe) Jungwüchse und Stangenhölzer (BHD 7-20) der Laubbaumarten einzel- bis gruppenweise gemischt, Totholz stehend und liegend, in unterschiedlichen Dimensionen zeigen den Eichenmischwald bodensaurer Standorte in einem guten, wenn nicht gar hervorragenden Erhaltungsgrad. Der FFH-Waldlebensraumtyp wird gefährdet durch spätblühende Traubenkirschen, die außerhalb des Totalreservates sich verjüngen und in das Gebiet drängen. Hier gilt es im Pufferbereich zum Totalreservat die Traubenkirsche als gebietsfremde Art zurückzudrängen, um ein Einwandern zu verzögern. Dabei wurden als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme auf 7 ha verschiedene Verfahren getestet. Langfristig kann nur die Verjüngung aus Buche und Eiche verhindern, dass die Traubenkirsche eine tragende Rolle im Waldaufbau spielt.

Am zweiten Exkursionspunkt werden durch Familie Freytag Heide- und Trockenrasenbiotope freigehalten. Beweidung und Technikeinsatz aber auch manuelle Arbeit sind hier die Mittel der Wahl. Ein Vertrag mit der DB Netz AG macht diese dauerhafte Offenhaltung möglich. Ein stetes Kämpfen gegen die Wiederbewaldung mit Kiefern- und Birken-Naturverjüngung.

Bild: A. Steinmeyer

Der Weg führt uns weiter zu einem Waldbild, geprägt von Kieferreinbeständen mit Wuchsklassen im mittleren Baumholz. Die Naturverjüngung findet sich flächig im Anwuchs- und Jungwuchsstadium. Rein aus dem betriebswirtschaftlich orientierten Blickwinkel würde man hier über die Baumentnahme im Oberstand steuern. Die kommenden Maßnahmen sollen der Strukturierung von noch homogenen Beständen dienen. Aus naturschutzfachlicher Anforderung, den Lebensraum des Auerwildes entwickeln und erhalten zu wollen, wurden Kiefern-Naturverjüngungsbereiche auf 1.000 bis 3.000 qm (horst-kleinflächenweise) verteilt im Bestand entfernt. Ziel ist es, die Blaubeerdecke als günstige Bedingung im Eingewöhnungsgebiet für das Auerwild  zu erhalten und zu fördern. Der Durchführungsaufwand wurde auch hier erstattet.

Kontrovers wurde diskutiert, ob dem Waldeigentümer hier nicht Verjüngungsbereiche vernichtet werden, die mit mehr zu kompensieren sind, als nur die Kostenübernahme der Kiefernentnahme. Fazit am Ende einer langen Debatte war es, dass es so, wie es erfolgt ist, für beide Seiten ein tragbares Vorgehen ist. Naturschutzfachlich wird auf großer Fläche von Habitatdiversität ausgegangen und der Waldeigentümer hat die Chance, mit dieser Maßnahme seinen Kiefernwald langfristig in vertikal und horizontal unterschiedlich alte Bereiche zu strukturieren. Der Dauerwald sieht keine homogene 2. Schicht in der Verjüngung vor. Neben der waldbaulichen Diskussion wurde das Prädatorenmanagement erläutert, um das Auswilderungsprogamm für das Auerwild zum Erfolg zu führen.

Der nächste Exkursionspunkt läßt uns an einem Wegekreuzungspunkt halten. An zwei Seiten stehen ältere Eichenmischbestände, deren Vitalität ins Auge sticht. Die großen Kronen mit sichtbarem Feinastanteilen lassen vermuten, dass sie Raum zum dimensionieren hatten. Die Frage nach Hutenutzung bleibt im Raum. Es gibt nur wenige Dokumente aus diesen Zeiten.

Es wird auch deutlich, dass die forschungsseitige Diskussion um die Traubeneiche im Klimawandel breiter aufgestellt werden muss, um aussagefähig zu werden. Bisher ist nicht zu erkennen, dass die Eiche im Klimawandel Verliererin ist. Betriebswirtschaftlich wurde die Entnahme nach Zielstärken der Eichen diskutiert. Die Mischung machts auch hier, so das Fazit: Wenn der Markt ein gutes Preiniveau aufweist, ist nichts gegen den Verkauf eines guten Eichenstammes zu sagen, ebenso ist es wichtig, auch gut veranlagte Eichen dicker werden zu lassen.

An der Wegekreuzung dominiert ein Hochstand. Die flächig vorhandene Eichennaturverjüngung läßt eine Jagd im Bestandesinneren nur eingeschränkt effektiv zu, daher fokussiert man auf die Wege und Freiflächen. Der Ruf nach der Jagd im April vor Laubaustrieb wird laut. Auch sind in kleineren Revieren die starren Abschusspläne noch nicht flexibel genug. Da sind noch weite Wege in Brandenburg und auch im gesamten Bundesgebiet zu gehen, bis hier ein Umdenken in Sicht kommt. Das Thema wurde sachlich beendet. 

Bild: L. Freytag

Das Arbeitstreffens der ANW Brandenburg-Berlin fand seinen Abschluss bei einem gemeinsamen Essen in einer alten militärischen Halle, von der noch die Außenpfeiler und das Dach stehen.

Familie Freytag nutzte den Rahmen, um ihren Unterstützern vor Ort für die gute Zusammenarbeit und den ANW-Mitgliedern für die konstruktiven Diskussionen und Anregungen zu danken. Dietrich Mehl, Vorsitzender der ANW Brandenburg-Berlin dankte der Familie Freytag für die interressanten Einblicke in einen Betrieb, der es versteht, naturschutzfachliche Anforderungen mit betriebswirtschaflichen Erfordernisse zu verbinden.

Angela Steinmeyer