Brandenburger und Berliner Waldbegeisterte zu Besuch in Mecklenburg

Arbeitstreffen bei den ANW-Beispielbetrieben Krümmel und Kalebsberg

Das zweite Arbeitstreffen der Brandenburg-Berliner ANW im Jahr 2024 führte an einem sonnig warmen Septemberwochenende zu zwei interessanten Forstbetrieben nach Mecklenburg. Die ANW Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern hatte am Samstagvormittag ihre Mitgliederversammlung durchgeführt und so gab es vor der gemeinsamen Exkursion am Nachmittag ein herzliches Wiedersehen der zusammen gekommenen Mitglieder. Das Interesse war so groß, dass sich die über 80 Waldinteressierten in zwei Gruppen aufteilten.

Eine von zwei Exkursionsgruppen im Forstbetrieb Krümmel

 Der erste Wald, der besucht wurde, gehört zum Forstbetrieb der Familie von Maltzahn – dem Forstbetrieb Krümmel. Moritz von Maltzahn, der den Familienwald betreut, und Christian Albrecht von der Mecklenburger ANW führten die Exkursionsgruppen. 

Im Jahr 1996 übernahm die Familie von Maltzahn einen etwa 800 Hektar großen Wald von der Treuhand. Der Oberstand bestand zu ca. 40 % aus Buche und war durch den wenig sorgsamen Umgang der vor der Übernahme verantwortlichen Bewirtschafter übernutzt, aufgefressen, winddurchblasen und insgesamt in einem schlechten Zustand. In den Jahren 2017 und 2021 kamen noch zwei starke Sturmereignisse hinzu, die weitere Löcher in den Oberstand rissen. 

Nachdem Moritz von Maltzahn im Jahr 2006 die Waldbetreuung und auch die Jagdorganisation übernommen hatte, etablierte sich in wenigen Jahren eine nahezu flächige Naturverjüngung, die vor allem aus massiv auflaufender Buche bestand. 

Weite Laubholzverjüngungsfläche unter einem zum Teil lückigen Buchendach

Das Thema des ersten Exkursionstages spiegelt eine der großen Herausforderungen wider, vor der der Betrieb in seinen Zielsetzungen steht: die Sicherung der Mischbaumarten in den Naturverjüngungsflächen und die Erhöhung des Nadelholzanteils durch Pflanzung und Pflege. Die Baumartenvielfalt liegt inzwischen bei über 25 Baumarten! Eichen, Eschen, Ulmen und die Ahornarten wachsen in den Buchenverjüngungsflächen eingesprengt von allein, Douglasien und verschiedene Tannenarten und -herkünfte werden gepflanzt. Diskutieren konnten die Gruppen an verschiedenen Waldbildern, die unterschiedliche Altersphasen der Verjüngungen zeigten. Die Grundfragen waren die gleichen, denen sich irgendwann alle gegenübersehen, die sich durch waldfreundliche Jagd über reiche Naturverjüngung freuen können: welche Baumarten brauchen Unterstützung durch Pflege, ab wann brauchen sie diese und in welcher Intensität, wer führt das durch und was kostet das? Die Meinungen reichten von Nichts-Tun über homöopathischen Pflegeeinsatz bis hin zum intensiven regelmäßigen Freistellen der Lichtbaumarten. 

Moritz von Maltzahn (rechts im Bild) diskutiert mit der Gruppe unterschiedliche
Pflegekonzepte zur Förderung der Mischbaumarten:
Welche Baumart braucht welche Unterstützung in welchem Umfang zu welchen Kosten

Bevor wir hinter der Krümmeler Kirche auf der Festwiese zum gemütlichen Teil des Tages übergehen konnten, schauten wir uns noch einen herrlichen Wald in der Nähe des Krümmeler Sees an. Einige urige alte Eichen hatten für inzwischen schon stattlichen Nachwuchs in der mittleren Baumschicht unter alten Kiefern gesorgt. Auf den wertvollsten ca. 30 Eichen pro Hektar liegt das Hauptaugenmerk der Waldpflege. Die straffe Jagd brachte noch einen reichen Strauß an Baumarten in der Verjüngung, so dass wir tolle Dauerwaldbilder vor uns hatten, auf die wir in vielen unserer kiefergeprägten Bestände noch hoffen.

Auf dem Rückweg zur Festwiese warfen wir noch einen Blick auf die Folgen fragwürdiger Förderpolitik, die maximalinvasive Forstwirtschaft unterstützt – in diesem Fall nach Borkenkäferkalamität die flächige Räumung, Pflanzung, Zaun und Kulturpflege – anstatt die Ergebnisse naturgemäßer Jagd- und Waldwirtschaft, wie im Rest des Betriebes. 

Mit der Festwiese hatte Moritz von Maltzahn uns nicht nur einen tollen Grill- und Zeltplatz besorgt, auch der nächste Badesee war nur fußläufig entfernt. Nach einer herrlichen Abkühlung gab es Volleyball, Gegrilltes, Gekeltertes und Gebrautes und viele nette Gespräche. 

Essen, trinken und plaudern auf der Festwiese Krümmel

Am nächsten Morgen, nach einem für einige recht hektischen Aufbruch, fuhren wir etwa eine Stunde zum zweiten Ziel der Exkursion, dem Forstbetrieb Kalebsberg. 

Im Jahr 2005 hatten Heike Dubbert und Holger Weinauge den Betrieb übernommen. Auf einer Fläche von 285 Hektar bewirtschaften sie einen Wald aus etwa 50 % Laub- und 50 % Nadelbäumen im Oberstand. 

Holger Weinauge stellt seine Waldbau-Philosophie vor

Nach einigen hundert Metern Pflasterstraße ging es direkt und quer durch den Wald. Beim ersten Halt auf einem vom Wald überwachsenen bronzezeitlichen Hügelgräberfeld stellte Holger Weinauge seinen Wald als Teil typischer mitteleuropäischer Waldgeschichte vor. 

Die beiden Besitzer legten von Anfang an großen Wert auf eine naturgemäße Dauerwaldbewirtschaftung und stellten grundsätzliche Ziele ihrer waldbaulichen Strategie vor: optimale Kühlung, vitale Photosynthese, hohe Biodiversität und stetige Stoffkreisläufe. Dabei wird versucht sowohl durch Beobachtung als auch experimentelle Ansätze das daraus gewonnene Wissen gezielt zur Optimierung des Bestandes einzusetzen. Zum Thema Waldkühlung erläuterte Holger Weinauge ausführlich und bildhaft das System des Wasserkreislaufes, das in Wäldern deutlich komplexer ist, als es in manchem wissenschaftlichen Diagramm dargestellt wird. Durch ständige Evaporation und Transpiration zwischen Waldboden und Kronendach bewegt sich das Wasser bis zu achtmal im Kreislauf, bis es an die Atmosphäre über dem Wald abgegeben wird.

Kreuz und quer ging es über liegendes Totholz und durch die bürstendichte Naturverjüngung

Eine Herzensangelegenheit Holger Weinauges ist der Bodenschutz und insbesondere der Schutz des Mykorrhiza Netzwerkes. Aus diesem Grund wurde das Rückesystem neu umgesetzt: mit einem ungewöhnlich hohen Rückegassenabstand von 80 bis 120 Metern, wird versucht die Bodenverdichtung auf ein Minimum zu reduzieren. Kurzholz wird mit Pferden, Stammholz mit einer Forstraupe bis an die Rückegasse vorgeliefert. Wie Weinauge ausführte, ist für den Bodenschutz in Bezug auf die Forstraupen (und jegliche andere schwere Technik) die Minimierung des Vibrationsdruckes auf den Untergrund das Entscheidende. Wichtig ist, dass die Vibrationen des Antriebsmotors der Forstmaschine nicht direkt auf den Boden übertragen werden. Leider wird das aus seiner Sicht noch viel zu wenig bei der Produktion dieser Maschinen beachtet. Weinauge verwendet die Suffel SmartSkidder Forstraupe, welche bis zu vier Festmeter am Stück aus dem Wald ziehen kann. Dabei betragen die Erntekosten ca. 35 € pro Festmeter.

Weinauge erläutert die Strukturdurchforstung in einem zuvor einschichtigen Fichtenforst 

Da der Betrieb ein Wirtschaftsbetrieb ist wird selbstverständlich auch Holz geerntet. Die Nutzung liegt bei 5 bis 10 fm pro Jahr und Hektar mit steigender Tendenz. Grundlage der Holzentnahme ist die sogenannte Stukturdurchforstung, die sich an der Stammzahlverteilung der Dauerwaldkurve orientiert und immer versucht sich dieser weiter anzunähern. Bäume dicker als 80 cm BHD werden nicht mehr genutzt. Sie erfüllen als Habitatbäume und ästhetische Schätze eine besondere Funktion. Ansonsten wird in allen Alters- und Stärkeklassen durch Nutzung gepflegt. 

Einen ebenfalls ungewöhnlichen Ansatz verfolgen Heike Dubbert und Holger Weinauge bei der Jagd. Nachdem sie nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten wichtige jagdliche Voraussetzungen durchgesetzt hatten, etablierten sie ein Drückjagdkonzept, dass auf den Prinzipien der historischen Wolfsjagd beruht. Durch die Stellung der Ansitzeinrichtungen zueinander und das Besetzen derselben in Beachtung des Windes entsteht ein sogenanntes Duftreusensystem. Das Wild, in dem Versuch den gefahrsignalisierenden Düften der Schützen auszuweichen, wird dadurch immer wieder anderen Schützen zugetrieben – wie in einer Art Reuse. Abgesetzt wird relativ eng mit ungefähr einem Jäger auf 5 ha. Später kommen noch Gruppen von Beunruhigern hinzu, die sich jedoch relativ ruhig, wie Pilzsammler, bewegen. Das Wild bewegt sich dadurch relativ ruhig. Der größte Teil der Strecke fällt zu Beginn der Jagd. Hunde werden nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Diese eine Jagd ist sehr effektiv. Weinauge schätzt, dass so ein Drittel bis die Hälfte des Rehwildbestandes abgeschöpft werden kann. Mit Ausnahme eines Gruppenansitzes im Frühling, bei dem reichlich Böcke geschossen werden, gibt es keine weitere Jagd. Einzelansitze finden gar nicht statt. Das vorgestellte Konzept sorgte für viel Nachfrage und regen Austausch in der Gruppe. Diskutiert wurde über die ausreichende Wirkung auf den Verjüngungszustand und die Übertragbarkeit auf andere Reviere. Holger Weinauge erklärte, dass bei einer Verschlechterung des Verbisszustandes eine zweite Drückjagd notwendig werden könnte. 

Gebanntes Schauen auf Wasserflaschen: das Duftreusensystem bildhaft erklärt

Den wohl schönsten Teil ihres Waldes zeigten uns Heike Dubbert und Holger Weinauge zum Abschluss der Exkursion: einen in Baumarten und Altersstruktur gemischten Wald, wie er zu den eindrucksvollsten zählt, den viele von uns bisher gesehen hatten. Der Bestand ist eine von 11 Dauerbeobachtungsflächen, die die ANW gemeinsam mit dem französischen Association Futaie Irrégulière (AFI) bundesweit eingerichtet hat um die ökonomischen und ökologischen Wirkungen unterschiedlicher Formen der Dauerwald-Bewirtschaftung zu untersuchen. Ein Vorgänger-Förster hatte schon zu DDR-Zeiten schützend seine Hand über den gemischten Wald gehalten und alle Kahlhiebs- und Umwandlungsforderungen abwehren können. In den letzten Jahren hat sich dazu Dank der Jagd nun auch eine artenreiche Naturverjüngung eingestellt. Auch hier gab es neben Begeisterung und Staunen wieder ganz praktische Fragen zur Nutzung und zur Sicherung seltener Baumarten in der Verjüngung. 

AFI-Dauerbeobachtungsfläche: die Stammzahlverteilung der Durchmesserklassen nähert sich der optimalen Dauerwaldkurve an – zur Optimierung der Dauerwaldstruktur wird durch eine Strukturdurchforstung in diesem Beispiel hauptsächlich in den BHD-Klassen von 40 bis 65 cm genutzt (Quelle: Exkursionsführer Kalebsberg)

Mit von tollen Waldbildern und vielen Anregungen und Fragen vollen Köpfen, ging auch diese Exkursion am Sonntagnachmittag zu Ende. 

Die Waldbegeisterten Moritz von Maltzahn und Heike Dubbert und Holger Weinauge haben uns Waldbegeisterte ihre Wälder erleben lassen. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. 

Vielfalt in allen Etagen: das wohl eindrucksvollste Waldbild am Sonntagnachmittag 

Jakob Kunze und Philipp Kunze im September 2024 

„Vor der Holzproduktion kommt immer die biologische Vielfalt“

Arbeitstreffen bei Andreas Pommer im Revier Eibenstock, Sachsen

Das erste Arbeitstreffen 2024 der ANW Landesgruppe Brandenburg-Berlin fand am 13. und 14. Juli im Revier Eibenstock beim leitenden Revierförster Andreas Pommer statt. Die bunt gemischte Gruppe wurde zur Mittagszeit vom Gastgeber begrüßt und in das seit über 20 Jahren naturgemäß bewirtschaftete Exkursionsgebiet eingeführt. Dabei erfuhren wir, dass es in der Vergangenheit zu einer starken Stammholzentwertung durch intensive Rotwildschäle und Zuwachseinbußen durch saure Einträge aus der Kohleindustrie gekommen war. Umso beeindruckender ist die Aufwertung die das Waldbiotop in den letzten zwei Jahrzehnten durch eine konsequente Bejagungsstrategie und weitere Maßnahmen der Biotopverbesserung erfahren hat. Dazu zählt u.a. eine Waldinnenrandgestaltung mit seltenen heimischen Baum- und Straucharten, welche als Initiale für die Verbreitung in die anliegenden Waldbestände dienen. Zusätzlich sind Insektenhotels, als Ersatz für dickes Totholz im Waldinnenrand inkludiert. Außerdem fördern Amphibienteiche die Artenvielfalt im Wald, wobei die Bezeichnung irreführend ist, da sie zu über 70 % von wasserliebenden Insekten beherbergt werden.

Darüber hinaus konnte die Gruppe durch die Besichtigung eines vor kurzem durchgeführten Holzeinschlags die Entwicklung eines strukturierten Dauerwalds mithilfe der freien Durchforstung begutachten. Dieses Durchforstungsprinzip vereinigt Elemente der Hoch- und

Niederdurchforstung sowie der Positiv- und Negativ-Auslese. Als Ergebnis überzeugte die bereits erkennbare plenterwaldartige Waldstruktur mit Bäumen verschiedenster Dimensionen nebeneinander und abwechselnder dunkler und lichter Bereiche im Bestand! Gegen Abend durfte die Gruppe bei selbstgegrillten Wildburgern und wildbachgekühlten Getränken den Exkursionstag ausklingen lassen, wobei der Austausch über Gesehenes besonders gut mundete. 

Am zweiten Exkursionstag konnte sich die Gruppe vom hohem Auflauferfolg einer Weißtannen Saat mit vorheriger Bearbeitung durch ein Pferd geführtes Rillensaatgerät überzeugen lassen. Zusätzlich wurden die Vorteile einer Saat gegenüber einer Pflanzung mithilfe erfolgreicher Häher-Eichen und selbstdurchgeführter Laubstreusaaten verdeutlicht, sodass ersichtlich wurde, wie vielfältig die Möglichkeiten einer Mischwaldinitialisierung sein können.

Es folgte eine Sturmflächenbegutachtung, die nach über zehn Jahren ohne Pflege immer noch bis zwölf Baumarten pro Hektar aufwies. Diese Beobachtung stellte die Jungwuchspflege als ökonomische Investition für Forstbetriebe in einem neuen Licht dar. Das Exkursionsrevier verabschiedete sich mit eindrücklichen Waldbildern des historischen Waldortes „Riedert“, indem sich noch Relikte des natürlich vorkommenden Bergmischwalds befinden. Der in ganz Sachsen bekannte Waldbestand wies nicht nur besonders seltene Pilzarten, sondern auch die letzten elf verbliebenden Alttannen des Reviers auf. Allerdings wird die Anpassungsfähigkeit des Bergmischwaldes durch aktuelle Klimaprognosen in Frage gestellt, da für das Jahr 2050 Eichenmischwälder als zukünftige dominierende Waldgemeinschaft angenommen werden müssen.

Als Schlussakkord erklang die Musik der Realität, denn die Exkursionsteilnehmer wurden mit ganz anderen Waldbildern bei einem Besuch der angrenzenden tschechischen Fichtenmonobestände auf ähnlichen Standorten konfrontiert. So konnten die die Unterschiede verschiedener Waldbaukonzepte realitätsnah verdeutlicht werden.

„Ich weiß, es geht nicht überall. Nur dort, wo man es versucht“

Andreas Pommer

Wir danken Andreas Pommer für die eindrückliche Reviervorstellung, die sowohl reich an qualifiziertem Forstfachwissen als auch an wertvollem Wissensaustausch war. Während des Revierbegangs wurde verdeutlicht, wie vielfältig die Ansätze für eine Weiterentwicklung und Strukturierung devastierter Waldbestände sind und welche Ergebnisse bei konsequenter Umsetzung erzielt werden können.

Text: Carl-Alfred Schmidt (Eberswalde, Juli 2024) 
Fotos: Philipp Kunze 

Moore im Wald


Obwohl knapp 8,5 Prozent der Landesfläche Brandenburgs aus Mooren bestehen, wissen wenig Forstleute, wie sie diese wertvollen Ökosysteme schützen, revitalisieren und überhaupt erst einmal „lesen“. Die ANW-Landesgruppe Brandenburg-Berlin kam im Juni zu einem Arbeitstreffen zusammen, um zu lernen, wie Entwässerung, Waldbau und Moorzustand zusammenhängen


Schauplatz des Arbeitstreffens war das Revier Bunterschütz (LWObF Müllrose), in das Revierleiter Friedrich Koch eingeladen hatte. Bunterschütz ist von mindestens 10 ha reiner Moorfläche und weiteren 80 ha organischen Nassstandorten geprägt und daher optimales Exkursionsgebiet. Als Experte führte der Moorökologe Oliver Jähnichen durch den Tag und bot einen Rundumschlag über „Moore im Wald“.

Im ersten Teil führt uns Oliver Jähnichen zunächst theoretisch an das große Thema heran. Damit wir alle vom Gleichen sprachen, definierte der Moorökologe zunächst das Moor anhand des bildhaften Spreewaldgurken-Vergleiches. Wir nehmen mit: Bei Mooren handelt es sich vereinfacht gesprochen um Ökosysteme, bei denen Biomasse (Gurken) durch Wasserabschluss unter anaeroben, leicht sauren Verhältnissen gelagert wird (Gurkenwasser). Wesentlich hierfür sind vor allem verschiedene Torfmoosarten, die ein Moor bis zu einem Millimeter pro Jahr nach oben wachsen lassen. 

Um Moore besser ansprechen zu können, thematisierten wir anschließend verschiedene Moortypen. Um Moore nach deren Wasserhaushalt (hydrogenetisch) zu klassifizieren, wurden wir angehalten, vor allem ganzheitlich und großräumlich deren landschaftliche Einbettung, die Art der Wasserspeisung, die weiträumige Oberfläche des Moores oder die Neigung einzubeziehen. Auch eine Unterscheidung der Moore anhand des Nährstoffgehaltes und des pH-Wertes (ökologisch) ist möglich. 

Weiterhin wurden uns die weitreichenden Ökosystemleistungen von intakten Mooren nahegebracht. So sind sie als Stabilitätsträger im Landschaftswasserhaushalt enorm wichtig als Wasserspeicher und -regulator und kühlen lokal. Sie speichern und binden hohe Mengen an Kohlenstoff, wirken als Schadstoffpuffer und sind nicht nur ein bedeutsamer Lebensraum für Spezialisten, sondern liefern auch einfach ein beeindruckendes Landschaftsbild. Anhand der Moorschichtung sind Moore zudem lebendige Archive unserer Zeitgeschichte. 

Dem gegenüber ist ein aktuell gravierend schlechter Zustand der Moore in Deutschland zuerkennen: durch Trockenlegungen und Torfabbau gelten 98% aller Moore in Deutschland als entwässert und verursachen durch die stattfindende Mineralisierung beachtliche sieben Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen (…bis zu 29 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr werden aus entwässerten Mooren frei…). 

Weiterhin kommt es zu beachtlichen Oberflächenabsackungen und einer dauerhaften Degradierung des Torfkörpers, sodass dieser an Wasserspeicherfähigkeit verliert. Entwässerte Moore verlieren so auch an Wasserstaufunktion und lassen so das Grundwasser absinken. Mit diesen Verschlechterungen gehen zudem Arten- und Nährstoffverluste einher. 

So schulte uns der Moorökologe in der Erkennung degradierter Moore anhand eines sichtbar gestörten Wasserhaushalts (z. B. durch Gräben), untypisch trockener Moorränder, veränderter Vegetation und vor allem anhand eingesenkter Oberflächen. Diese entstehen oft nicht direkt durch den Wassermangel, sondern vor allem dadurch, dass fester Boden bereits durch Abbauprozesse in den gasförmigen Zustand übergegangen ist! 

Oliver Jänichen, Moorexperte der HNEE, und Revierleiter Friedrich-Georg Koch (r.) 

Obwohl viele dieser Folgen unumkehrbar sind, machte uns Oliver Jähnichen im Anschluss Mut zum aktiven Erhalt und zur gleichermaßen bedeutsamen Revitalisierung (…ein oftmals treffenderer Begriff als Renaturierung…) der Moorökosysteme unserer Wälder. Jähnichen erläuterte vor diesem Hintergrund wasserbauliche Maßnahmen (z. B. Gräben verschließen), forstliche Bewirtschaftungsmaßnahmen im Einzugsgebiet des Moores und Pflegemaßnahmen auf dem Moor. So wirken sich die Mehrzahl der Maßnahmen des Waldumbaus positiv auf bestehende Moorkörper aus. Im Kontext der Moorpflege wurden „Entkusselungen“ lebhaft diskutiert und wir mussten feststellen, dass alle Pflegemaßnahmen auf Mooren sehr differenziert und unter Begleitung von Moorfachleuten durchgeführt werden sollten. 

Im zweiten Teil des Tages ging es dann direkt ins Revier Bunterschütz zum ca. 30 ha großen Verlandungsmoor Glieningsee. Bereits auf dem Hinweg fanden wir trocken gefallene Entwässerungsgräben und viele Stickstoffzeiger, die für den degradierten Zustand des Moores sprachen. Der Moorstandort bestand aus ca. 2 m hohem Schilftorf, was wir am schwingenden Boden auch merkten, und war nun aber vor allem mit Erlen bestockt. Neben der Entwässerung hat vor allem auch ein Absinken des Grundwasserspeigels um einen Meter in den letzten zehn Jahren den Moorzustand verschlechtert. Um weitere Verschlechterungen aufzuhalten, sollten zunächst auf jeden Fall die Entwässerungsgräben des Moores geschlossen werden. Hier mussten wir jedoch die realpolitische Herausforderung von Eigentümergrenzen feststellen, da für diese Maßnahmen entscheidende Teile des Moores einem anderen Waldeigentümer gehören. Zum anderen könnte lokal eine Wiedervernässung von Seiten der Anwohner nicht gewünscht sein – Stichwort: nasse Keller. Klare forstliche Handlungsoptionen, welche Friedrich Koch im Revier Bunterschütz auch stetig verfolgt, sind jedoch erneut der Waldumbau und die Durchforstung von Stangenhölzern rings um das Moor, um die Versickerungsraten zugunsten des Moores zu verbessern. Bei der Frage, ob man in die Erlenbestockung eingreifen sollte, unterschieden sich die Perspektiven zwischen Privatwaldbesitzenden und Staatswaldbetreuenden. So würden einige Privatwaldbesitzer die Erlen auf Wertholz hin pflegen, während die Flächen im Staatswald potentielle Stilllegungsflächen darstellten. 

Zum Abschluss wagten wir uns mit Gummistiefeln oder barfuß direkt auf den Moorkörper, um eine Moorbohrung durchzuführen. Durch niedrige Erlen, Moorbirken, Seggen, Schilf und über Torfmoose hinweg konnten wir anschließend mittels einer drei Meter langen Bohrstange in die verschiedenen Zeitalter des Moores förmlich eintauchen. Eine wirklich spannende Praktik! 

Der Lohn der Mühe… 
… Moorboden zur Untersuchung oder einfach nur zum Befühlen und Beriechen 

Ein herzlicher Dank geht an Oliver Jähnichen für die informative und mitreißende Wissensvermittlung rund um das Thema Moor. Wir sind definitiv bereichert und können uns nun ein Stück weit mutvoller für Moore im Wald einsetzen.

Ein gleichermaßen großer Dank geht an Revierleiter Friedrich Koch für das Bereitstellen des Exkursionsgebietes, zahlreiche Diskussionsanregungen und die gelungene Organisation in Zusammenarbeit mit der LWObF Müllrose. Der Oberförsterei gilt unser vollmundiger Dank für die leckeren Lunchpakete. Wer auch immer noch in die Organisation eingebunden war: Herzlichen Dank! Wir kommen gern wieder. 


Text: Jonas Fiedler
Fotos: Jonas Fiedler und Philipp Kunze