Moore im Wald


Obwohl knapp 8,5 Prozent der Landesfläche Brandenburgs aus Mooren bestehen, wissen wenig Forstleute, wie sie diese wertvollen Ökosysteme schützen, revitalisieren und überhaupt erst einmal „lesen“. Die ANW-Landesgruppe Brandenburg-Berlin kam im Juni zu einem Arbeitstreffen zusammen, um zu lernen, wie Entwässerung, Waldbau und Moorzustand zusammenhängen


Schauplatz des Arbeitstreffens war das Revier Bunterschütz (LWObF Müllrose), in das Revierleiter Friedrich Koch eingeladen hatte. Bunterschütz ist von mindestens 10 ha reiner Moorfläche und weiteren 80 ha organischen Nassstandorten geprägt und daher optimales Exkursionsgebiet. Als Experte führte der Moorökologe Oliver Jähnichen durch den Tag und bot einen Rundumschlag über „Moore im Wald“.

Im ersten Teil führt uns Oliver Jähnichen zunächst theoretisch an das große Thema heran. Damit wir alle vom Gleichen sprachen, definierte der Moorökologe zunächst das Moor anhand des bildhaften Spreewaldgurken-Vergleiches. Wir nehmen mit: Bei Mooren handelt es sich vereinfacht gesprochen um Ökosysteme, bei denen Biomasse (Gurken) durch Wasserabschluss unter anaeroben, leicht sauren Verhältnissen gelagert wird (Gurkenwasser). Wesentlich hierfür sind vor allem verschiedene Torfmoosarten, die ein Moor bis zu einem Millimeter pro Jahr nach oben wachsen lassen. 

Um Moore besser ansprechen zu können, thematisierten wir anschließend verschiedene Moortypen. Um Moore nach deren Wasserhaushalt (hydrogenetisch) zu klassifizieren, wurden wir angehalten, vor allem ganzheitlich und großräumlich deren landschaftliche Einbettung, die Art der Wasserspeisung, die weiträumige Oberfläche des Moores oder die Neigung einzubeziehen. Auch eine Unterscheidung der Moore anhand des Nährstoffgehaltes und des pH-Wertes (ökologisch) ist möglich. 

Weiterhin wurden uns die weitreichenden Ökosystemleistungen von intakten Mooren nahegebracht. So sind sie als Stabilitätsträger im Landschaftswasserhaushalt enorm wichtig als Wasserspeicher und -regulator und kühlen lokal. Sie speichern und binden hohe Mengen an Kohlenstoff, wirken als Schadstoffpuffer und sind nicht nur ein bedeutsamer Lebensraum für Spezialisten, sondern liefern auch einfach ein beeindruckendes Landschaftsbild. Anhand der Moorschichtung sind Moore zudem lebendige Archive unserer Zeitgeschichte. 

Dem gegenüber ist ein aktuell gravierend schlechter Zustand der Moore in Deutschland zuerkennen: durch Trockenlegungen und Torfabbau gelten 98% aller Moore in Deutschland als entwässert und verursachen durch die stattfindende Mineralisierung beachtliche sieben Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen (…bis zu 29 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr werden aus entwässerten Mooren frei…). 

Weiterhin kommt es zu beachtlichen Oberflächenabsackungen und einer dauerhaften Degradierung des Torfkörpers, sodass dieser an Wasserspeicherfähigkeit verliert. Entwässerte Moore verlieren so auch an Wasserstaufunktion und lassen so das Grundwasser absinken. Mit diesen Verschlechterungen gehen zudem Arten- und Nährstoffverluste einher. 

So schulte uns der Moorökologe in der Erkennung degradierter Moore anhand eines sichtbar gestörten Wasserhaushalts (z. B. durch Gräben), untypisch trockener Moorränder, veränderter Vegetation und vor allem anhand eingesenkter Oberflächen. Diese entstehen oft nicht direkt durch den Wassermangel, sondern vor allem dadurch, dass fester Boden bereits durch Abbauprozesse in den gasförmigen Zustand übergegangen ist! 

Oliver Jänichen, Moorexperte der HNEE, und Revierleiter Friedrich-Georg Koch (r.) 

Obwohl viele dieser Folgen unumkehrbar sind, machte uns Oliver Jähnichen im Anschluss Mut zum aktiven Erhalt und zur gleichermaßen bedeutsamen Revitalisierung (…ein oftmals treffenderer Begriff als Renaturierung…) der Moorökosysteme unserer Wälder. Jähnichen erläuterte vor diesem Hintergrund wasserbauliche Maßnahmen (z. B. Gräben verschließen), forstliche Bewirtschaftungsmaßnahmen im Einzugsgebiet des Moores und Pflegemaßnahmen auf dem Moor. So wirken sich die Mehrzahl der Maßnahmen des Waldumbaus positiv auf bestehende Moorkörper aus. Im Kontext der Moorpflege wurden „Entkusselungen“ lebhaft diskutiert und wir mussten feststellen, dass alle Pflegemaßnahmen auf Mooren sehr differenziert und unter Begleitung von Moorfachleuten durchgeführt werden sollten. 

Im zweiten Teil des Tages ging es dann direkt ins Revier Bunterschütz zum ca. 30 ha großen Verlandungsmoor Glieningsee. Bereits auf dem Hinweg fanden wir trocken gefallene Entwässerungsgräben und viele Stickstoffzeiger, die für den degradierten Zustand des Moores sprachen. Der Moorstandort bestand aus ca. 2 m hohem Schilftorf, was wir am schwingenden Boden auch merkten, und war nun aber vor allem mit Erlen bestockt. Neben der Entwässerung hat vor allem auch ein Absinken des Grundwasserspeigels um einen Meter in den letzten zehn Jahren den Moorzustand verschlechtert. Um weitere Verschlechterungen aufzuhalten, sollten zunächst auf jeden Fall die Entwässerungsgräben des Moores geschlossen werden. Hier mussten wir jedoch die realpolitische Herausforderung von Eigentümergrenzen feststellen, da für diese Maßnahmen entscheidende Teile des Moores einem anderen Waldeigentümer gehören. Zum anderen könnte lokal eine Wiedervernässung von Seiten der Anwohner nicht gewünscht sein – Stichwort: nasse Keller. Klare forstliche Handlungsoptionen, welche Friedrich Koch im Revier Bunterschütz auch stetig verfolgt, sind jedoch erneut der Waldumbau und die Durchforstung von Stangenhölzern rings um das Moor, um die Versickerungsraten zugunsten des Moores zu verbessern. Bei der Frage, ob man in die Erlenbestockung eingreifen sollte, unterschieden sich die Perspektiven zwischen Privatwaldbesitzenden und Staatswaldbetreuenden. So würden einige Privatwaldbesitzer die Erlen auf Wertholz hin pflegen, während die Flächen im Staatswald potentielle Stilllegungsflächen darstellten. 

Zum Abschluss wagten wir uns mit Gummistiefeln oder barfuß direkt auf den Moorkörper, um eine Moorbohrung durchzuführen. Durch niedrige Erlen, Moorbirken, Seggen, Schilf und über Torfmoose hinweg konnten wir anschließend mittels einer drei Meter langen Bohrstange in die verschiedenen Zeitalter des Moores förmlich eintauchen. Eine wirklich spannende Praktik! 

Der Lohn der Mühe… 
… Moorboden zur Untersuchung oder einfach nur zum Befühlen und Beriechen 

Ein herzlicher Dank geht an Oliver Jähnichen für die informative und mitreißende Wissensvermittlung rund um das Thema Moor. Wir sind definitiv bereichert und können uns nun ein Stück weit mutvoller für Moore im Wald einsetzen.

Ein gleichermaßen großer Dank geht an Revierleiter Friedrich Koch für das Bereitstellen des Exkursionsgebietes, zahlreiche Diskussionsanregungen und die gelungene Organisation in Zusammenarbeit mit der LWObF Müllrose. Der Oberförsterei gilt unser vollmundiger Dank für die leckeren Lunchpakete. Wer auch immer noch in die Organisation eingebunden war: Herzlichen Dank! Wir kommen gern wieder. 


Text: Jonas Fiedler
Fotos: Jonas Fiedler und Philipp Kunze


Hier finden Sie zur Auffrischung und Vertiefung die Vortragsfolien von Oliver Jähnichen zum Download

Boden, der stabilere Kohlenstoff-Speicher


Beim ersten Arbeitstreffen des Jahres ging es um Wald und Kohlenstoff. Während in der oberirdischen Biomasse Kohlenstoff nur kurzzeitig gebunden ist, verbleibt er im Boden viel länger – zumindest im pfleglich behandelten Dauerwald


Am 22. April 2023 trafen sich Mitglieder der ANW Brandenburg-Berlin zum ersten Arbeitstreffen des Jahres. Martin Krüger, Revierleiter des Landeswaldreviers Breitefenn, lud ein zum Thema Kohlenstoffspeicherung im Wald. Diskutiert wurde der Sachverhalt vornehmlich anhand Versuchsflächen verschiedener Gastbaumarten, welche sich in zahlreicher Form im Revier finden. Bei der ersten Versuchsfläche handelte es sich um einen Anbau der Großen Küstentanne (Abies grandis). Diese Fläche wird, wie viele andere Flächen im Land, fachlich vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) betreut.

Die Exkursion wurde dankenswerter Weise von Frau Dr. Ulrike Hagemann als Leiterin des Landeskompetenzzentrums Forst Eberswalde (LFE) unterstützt. Beim Begang der Versuchsfläche wurde rasch die Methodik hinter Versuchsflächen diskutiert. Dem Teilnehmerkreis erscheint es wichtig, das Wachstum in Mischbeständen und in einer differenzierten Struktur zu betrachten, statt die Bestände weiterhin als Altersklassen-Reinbestand zu behandeln. Viele wünschten sich beispielsweise künftige Versuche zu Z-Baum-orientierten Durchforstungen. 

 Diskussion in einer Küstentannen-Versuchsfläche des Landeskompetenzzentrums Forst Eberswalde

Zu Beginn der Diskussion war eine Einführung zu allgemeinen Begrifflichkeiten notwendig. Frau Dr. Hagemann grenzte für die Teilnehmenden den Begriff des Kohlenstoffspeichers von dem der Kohlenstoffbindung ab. Der Kohlenstoffspeicher beschreibt somit das zum Zeitpunkt der Betrachtung gespeicherte CO2 in der oberirdischen wie unterirdischen Biomasse. Gleich zu Beginn wurde herausgearbeitet, dass die Böden mindestens die gleiche Menge, eher aber die 1,5-fache Menge an CO2 speichern.

Der bedeutende Unterschied liegt in der Fluktuation. Somit wurde den Teilnehmenden bewusst, dass unsere Böden sehr stabile CO2-Speicherorte sind, während oberirdische Biomasse im Vergleich dazu einen flüchtigen Pool darstellt. Um den Kohlenstoffspeicher des Bodens zu erhalten, ist neben dem pfleglichen Einsatz von Technik und dem Verzicht auf Bodenbearbeitung das wichtigste Mittel der Erhalt des darauf stockenden Waldes. Den Frühjahrsstürmen 2022 fielen auch einige der Großen Küstentannen zum Opfer. Anhand der Blößen zeigte sich gut: tritt Licht und Wärme auf den Oberboden, setzt sich der dort gespeicherte Kohlenstoff massiv um. Frau Dr. Hagemann rief den Teilnehmern ins Bewusstsein, dass der Boden 30 bis gar 100 Jahre benötigt, um sich von einer Kahlflächen-Situation wieder zu erholen. Diese Erkenntnis zeigt die große Verantwortung einschichtige, wenig gemischte Altersklassen-Wälder umzubauen und bereits entstandene Freiflächen schnellstmöglich wieder in Bestockung zu bringen. 

Die Bindung von Kohlenstoff beschreibt das Delta aus Zu- und Abfluss. Die Bindung von Kohlenstoff ist am höchsten, wenn der Zuwachs am höchsten ist. Unter den Teilnehmern wurden rege Möglichkeiten diskutiert, um bei optimalem Zuwachs alle anderen wichtigen Waldfunktionen zu erhalten und dies auch noch unter der Prämisse des Bodenschutzes. Die Vorratshöhen des Dauerwaldes wurden auch unter Beteiligung von Mischbaumarten wie der Küstentanne abgewogen. Als Faustregel erscheint die Gleichung Endbaumhöhe x 10 als Zeiger für einen ausgewogenen Vorrat. 

Am ersten Exkursionspunkt zogen die Teilnehmer das Fazit, dass mit Gastbaumarten wie der Küstentanne bei hohen Zuwächsen viele Varianten der Bewirtschaftung offen sind. So lässt sich die Baumart aufgrund ihrer guten natürlichen Selbstdifferenzierung und ihrer Halbschatten-Toleranz auch im Plenterwald bewirtschaften. Der Boden als bedeutender Kohlenstoffspeicher wurde in den Fokus gerückt und der Dauerwald als vielversprechende Bewirtschaftungsform, da er viele Funktionen vereint und den Boden dauerhaft kühl und feucht hält. Die Ansprüche aus Sicht des Klimaschutzes an den Waldbestand sind hohe Stabilität bei optimalem Zuwachs. Neben der Zustandserhaltung sollten Bemühungen zur Wiedervernässung betrieben werden, um labile Bodentypen wieder zu begünstigen und von der weiteren Freisetzung von CO2 zu hindern. 

Der zweite Exkursionspunkt zeigte eine Versuchsfläche des Großen Lebensbaumes (Thuja plicata), umgangssprachlich oft „Thuja“ genannt. Das leichte Holz ist besonders dauerhaft und eignet sich somit für den Außenbereich. Ein besonderes Nischenprodukt stellen Räucherbretter dar. Der Lebensbaum startet mit einem langsamen Jugendwachstum. Jedoch zeigen sich auf der präsentierten Versuchsfläche bereits im Alter 60 knapp 90 Prozent der Bäume stockfaul. Die Art verjüngt sich üppig.

Der dritte Exkursionspunkt führte den Teilnehmerkreis in ein zweischichtiges Buchen-Altholz. Es ergab sich rasch eine Diskussion über das künftige Vorgehen in der Buche. Es wurde deutlich, dass stets ein Abwägen zwischen Artenschutz und Bewirtschaftung stattfinden muss. Außerdem muss sich der Bewirtschaftende oft entscheiden, biologische Automatismen ablaufen zu lassen oder diese zu unterbrechen, um beispielsweise Mischbaumarten herauszupflegen. 

Bodenprofil am dritten Exkursionspunkt 

Zahlreiche Altbuchen waren sichtbar von der Trockenheit der vergangenen Jahre gezeichnet. Viele Teilnehmer beobachten in ihren Forstbetrieben den „Fluch der guten Standorte“. Die Vermutung ist, dass Buchen auf guten lehmigen Standorten in Trockenjahren besonders zeichnen. 

Einen runden Abschluss fand die Wanderung schließlich mit einem gemeinsamen Imbiss am Großen Lindsee 

Text: Patricia Stichling
Fotos: Philipp Kunze

»Nachhaltigkeit – vielschichtig wie unser Dauerwald«


Bericht zur ANW-Bundestagung 2022 in Brandenburg und Berlin – aus studentischer Perspektive

Ort der Festveranstaltung: das Kloster Chorin

Die Bundestagung 2022 fand im Zeitraum vom 15. bis 17. September unter dem Motto „Nachhaltigkeit – vielschichtig wie unser Dauerwald“ in Brandenburg statt. Unter den zahlreichen Organisator*innen und Mitwirkenden, die dieses beeindruckende Event ermöglichten, waren neben den Mitgliedern der Landesgruppe auch die Studierenden der ANW-Hochschulgruppe Eberswalde. Gemeinsam verbrachten wir mehrere Tage mit der Vorbereitung und waren auch in die Organisation während der Bundestagung integriert. 

Die Mitglieder der Hochschulgruppe wurden schon frühzeitig in die Planung eingebunden. Schon Wochen vor der Bundestagung wurden die ersten Aufgaben verteilt. Wir bildeten Teams für die Busbegleitung und fuhren die verschiedenen Exkursionsrouten ab, um den eigentlichen Busfahrern während den Exkursionen bei der Navigation helfen zu können. In den Tagen vor der Festveranstaltung konnten wir mit vielen Freiwilligen den Aufbau der Festveranstaltung im Kloster Chorin und das Errichten der Mittagstafel für die folgenden Exkursionstage in Brodowin tatkräftig unterstützen. 

Bereit für den Empfang der Gäste

Am Morgen der Festveranstaltung am 15. September fuhren wir erneut zum Kloster, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Gemeinsam wurden die Anmeldung und der Cateringbereich aufgebaut, mit letzten Handgriffen die Dekoration vollendet, sowie Helfer*innen für die Zuweisung der Parkplätze aufgestellt und eingewiesen. Währenddessen wurden am Eingang zum Kloster bereits die Ersten der knapp 400 Tagungsteilnehmer*innen mit einem Lächeln, Tagungsbeutel und Namensschildern herzlich empfangen. Nach der Ausgabe der Tagungsunterlagen und einem kleinen Mittagsimbiss eröffnete der ANW-Bundesvorsitzende Hans von der Goltz offiziell um 13:30 Uhr die Festveranstaltung. 

Hans von der Goltz resümierte das vergangene Jahr seit der letzten Bundestagung und arbeitete unmissverständlich heraus, dass die befürchteten Auswirkungen von Klimawandel und den gesellschaftlichen Herausforderungen weiter tiefe Spuren in unseren Wäldern hinterlassen. Glücklicherweise stelle sich aber immer wieder heraus, dass eine professionelle, wissensbasierte und schonende Waldbewirtschaftung, wie sie nach den Grundsätzen der ANW gefordert wird, Dauerwälder mit offensichtlich hoher Resilienz hervorbringt und wir so mit Mut in die Zukunft blicken können. 

Weiter informierte er über aktuelle Themen und Projekte rund um die ANW. Natürlich durfte auch der 100. Todestag des Begründers des Dauerwaldgedankens, Alfred Möller, nicht unerwähnt bleiben. Durch die örtliche Nähe zur Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, der ehemaligen Wirkungsstätte Möllers, und seiner dortigen letzten Ruhestätte konnte seiner angemessen erinnert werden. Nach der Begrüßung weiterer Gäste und Redner übergab von der Goltz das Wort an lokale Vertreter aus der Politik. Vom Brandenburger Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Axel Vogel, der über seine Videobotschaft deutlich machte, wie wichtig der Wald und dessen zeitgemäße Bewirtschaftung für die Zukunft ist, bis zu den Landräten und kommunalen Vertretern konnte eine positive und fördernde Stimme für unsere Art der Waldbewirtschaftung vernommen werden. 

Publikum in der alten Klosterkirche

Die Fachvorträge von Prof. Dr. Edeltraud Günther zum Thema „Nachhaltigkeit neu denken im Spannungsfeld ökonomischer, ökologischer und sozialer Interessen“ und Dr. Carsten Lessner „Jagdrecht 3.0“ untermauerten viele bereits angesprochenen Themenbereiche, unterstrichen aber gleichsam, dass es noch viel zu tun gibt, um einen flächigen Waldumbau und Walderhalt zu garantieren. Viele der Teilnehmenden und insbesondere die anwesenden Studierenden haben dies sicher als Bereicherung für zukünftigen Projekte wahrgenommen und konnten zum Nachdenken angeregt werden. Zum Abschluss stellte Dietrich Mehl, der Vorsitzende der ANW Landesgruppe Brandenburg in einer kurzen Einführung die Exkursionsgebiete der nächsten Tage vor. 

Es folgte eine kurze Kaffeepause mit interessanten Gesprächen und hohen Erwartungen an die kommenden Tage. Dann brachen die ersten Teilnehmer*innen gegen 17.00 Uhr nach Templin auf. Die Studierenden beteiligten sich derweil noch am Abbau der Festlichkeiten im Kloster. 

Um den Geldbeutel der Studierenden zu schonen, wurde in fußläufiger Entfernung vom Tagungshotel ein „Studi-Camp“ eröffnet. Die Studierenden konnten auf einer Wiese der Familie Spundflasch zelten. Von der Landesgruppe waren Toilettenwägen und von verschiedenen Hochschulgremien Bierzelte und Garnieturen bereitgestellt worden. Dafür möchten wir uns insbesondere bei Familie Spundflasch, aber auch allen anderen Beteiligten herzlich bedanken. Damit der Zeltplatz für die rund 70 Studierenden aus allen Hochschulgruppen vorbereitetet werden konnte, war schon ab Mittag eine Gruppe von Eberswalder Studierenden fleißig mit dem Aufbau der Essenszelte und Parkplatzeinweisung zugange. 

Nachdem die meisten ihre Schlafzelte aufgebaut hatten, gab es im Schutz der großen Essenszelte an einer langen Tafel das erste gemeinsame Abendessen. Das warme und köstliche Essen von der Kochkommode Eberswalde, die liebevolle Dekoration mit Lichterketten sowie Getränke und Musik schufen die ideale Grundstimmung, um sich gegenseitig kennenzulernen und alte Bekanntschaften wieder aufleben zu lassen. Einige saßen noch bis spät in die Nacht und tauschten sich über das Erlebte aus. 

Am nächsten Morgen ging es nach einem individuellen Frühstück zum Ahornseehotel. Ein paar Studierende konnten nicht widerstehen und sprangen noch schnell zum wach werden in den Lübbesee. Die studentischen Busbegleiter waren morgens mit die ersten am Ahornseehotel, um die Exkursionsteilnehmenden zu den richtigen Bussen zu geleiten und die Anwesenheitslisten zu prüfen. Dann ging es endlich zum ersten Mal an diesem Wochenende in den Wald. 

Am ersten Exkursionstag wurden vier verschiedene Exkursionen angeboten: 

Waldbild im Landeswaldrevier Theerofen

Die Basisexkursion ging in diesem Jahr in das Revier Theerofen der Landeswaldoberförsterei Chorin. Der zuständige Revierleiter, Stefan Kruppke, ist den Studenten der ANW-Hochschulgruppe Eberswalde schon vor der Bundestagung gut bekannt gewesen. Das Revier Theerofen bewirtschaftet er nun seit 30 Jahren und zeigt eindrücklich wie man, mit konsequenter Jagdausübung und einem besonderen Spürsinn für die Entwicklungen von Waldökosystemen, Schutz und Nutzen harmonisch auf ein und derselben Fläche vereinen kann. Besonders interessant war, dass es kein festgelegtes Schema gibt einen Dauerwald zu bewirtschaften oder zu entwickeln. Die drei thematisierten Waldbilder boten eine optimale Kulisse, um die aktuellen Themen rund um waldbauliche Entwicklungen zu diskutieren. So wurde von Bewirtschaftung neben nicht oder sehr extensiv bewirtschafteten Flächen über den Umgang mit fremdländischen Baumarten bis zur Schaffung bzw. Steuerung von Strukturen Einiges geboten und regte zu spannendem Austausch an. 

Auf der Wahlexkursion 1 konnten die Teilnehmenden den Stadtwald Templin und Prenzlau besuchen. 

Im Stadtwald Templin mit Förster Christian Hierdeis (r.)

In Templin war ein für Brandenburg typisches Bild zu sehen: ein durch Kiefern dominierter Oberstand. Darunter bildete sich aber eine lebhafte Verjüngung aus Buche und Eiche. Zwei der drei Förster des Templiner Stadtwald, Christian Hierdeis und Joachim Lange zeigten uns in mehreren Waldbildern ihre Arbeit und es ging neben wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche immer wieder in der Praxis erkennbar sind auch um die Gründe für den Austritt aus dem FSC-Programm und der besonderen Öffentlichkeitsarbeit im Stadtwald. Der Schulförster Joachim Lange erklärte, wie er mit Schüler*innen der Templiner Waldhofschule ein 700 ha großes Waldstück bewirtschaftet und erzählte lachend, wie mit einem besonderen Empfang durch die Schüler*innen schon einige Holzkäufer umgarnt wurden. 

In Prenzlau wurde den waldbegeisterten Exkursionsteilnehmenden vom Stadtförster Jens Rackelmann ein Wald mit verschiedensten Baumarten im Oberstand und besonders in der Verjüngung gezeigt. Die Grundlage für diesen Erfolg bilden einerseits die für Brandenburger Verhältnisse guten Böden, nicht zuletzt aber auch eine konsequente Jagd und naturgemäße Bewirtschaftung des Waldes. Dennoch sind auch hier die Buchen durch die vergangenen Trockenjahre stark geschwächt. Auf Grundlage dieser Eindrücke folgte eine spannende Diskussion, ob durch die richtige Bewirtschaftung, solche Effekte minimiert werden könnten. Da jeder Eingriff eine Störung des geschwächten Ökosystems bedeutet, sind wir beispielsweise in einer der Exkursionsgruppe zu dem Schluss gekommen, dass gerade in solchen Beständen mit noch mehr Vorsicht oder bestenfalls gar nicht eingegriffen werden sollte. 

Die Wahlexkursion 2 ging in diesem Jahr in den Privatwald Hirschfelde bei Berlin und das Revier Gorin der Berliner Forsten. In beiden Revieren ist der Waldumbau durch eine intensive Bejagung im Verbund mit naturgemäßer Waldwirtschaft durch die Förster Ingmar Preuße (Revier Gorin) und den Förster Thomas Schulz, die Dipl. Forstwirtin Hanna v. Versen und den Waldbesitzer Mathias Graf v. Schwerin (Revier Hirschfelde) keine Zukunftsmusik mehr, sondern schon voll im Gange. Dort zeigte sich außerhalb der Weisergatter eine Verjüngungsdynamik, die der im umzäunten Bereich in nichts nachsteht.

Exkursion im Privatbetrieb Waldnatur Hirschfelde


In allen Revieren konnten die Teilnehmer*innen ihre unterschiedlichen Erfahrungen bei Gesprächsrunden einbringen und die Studierenden hatten die Möglichkeit den erfahrenen Forstleuten Fragen zu stellen und aktiv mitzudiskutieren. Dabei war es für das Team der Busbegleiter*innen nicht immer ganz einfach die spannenden und lebhaften Diskussionen zugunsten des Zeitplanes einzugrenzen. Dafür konnten diese beim Mittagessen vertieft werden, bevor es dann am Nachmittag während der zweiten Hälfte der Exkursionen mit dem Sammeln von Eindrücken und dem Austausch von Erfahrungen weiterging. 

Besonders faszinierend war es für viele Teilnehmende zu erleben, dass auch auf schlechteren Standorten und trockenen klimatischen Bedingungen naturgemäß gewirtschaftet werden kann. Um dabei den vielfältigen Waldfunktionen und Anforderungen der verschiedensten Interessengruppen gerecht zu werden bedarf es Mut, eine Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung, einen Blick für das Ganzheitliche und eine gute Resilienz bei Gegenwind. 

Auch die Notwendigkeit eines zeitgemäßen Jagdgesetztes wurde den Teilnehmenden beim Besuch der verschiedenen Reviere immer wieder vor Augen geführt. In den ausgewählten Revieren konnte die Verjüngungsfreude der Wälder bei passendem Wildbestand unter Beweis gestellt werden, wünschenswert wären aber zukünftig flächig angepasste Wildbestände, um den Förster*innen mehr Zeit für andere dringende Aufgaben zu geben. 

Abendessen im Studi-Camp

Am Abend des ersten Exkursionstages bot sich, bedingt durch das stürmische Wetter auf dem Zeltplatz noch eine unschöne Überraschung. Die zuvor aufgebauten Essenszelte waren umgestürzt und über den Campingplatz verteilt. Mit vereinten Kräften konnten diese aber weitestgehend wieder aufgebaut und verankert werden, sodass dem gemeinsamen abendlichen Essen Nichts mehr im Wege stand. Zum Abschluss des ereignisreichen Tages gab es einen leckeren Hirschgulasch, für den das Fleisch großzügig von den Landesforsten Brandenburg gespendet wurde, wofür wir uns ebenfalls herzlich bedanken wollen. So konnten die Studierenden den Tag bei Gesprächen über das Erlebte, die Arbeit in den Hochschulgruppen, und das Studium in gemütlicher Runde ausklingen lassen. 

Am Samstagmorgen ging es dann für alle wieder mit den Bussen zu den unterschiedlichen Exkursionen. An diesem Tag bestand die Möglichkeit, zusätzlich zu den dem Revier Theerofen und den Stadtwäldern von Templin und Prenzlau das weiter südlich gelegene Revier Massow zu besuchen. 

Massow ist ein Betriebsteil der Hatzfeldt-Wildenburg´schen Verwaltung, den diese 2001 bis 2003 erworben hat. Dort wurde mit 96 % Kiefer im Oberstand ebenfalls das Erbe der Kiefernforstwirtschaft übernommen. Die Aufgabe des Waldumbaus wurde aber auf den trockenen und armen Standorten erfolgreich angenommen, wodurch der Anteil der Kiefer in der Verjüngung verglichen mit dem Oberstand um etwa 20 % gesenkt werden konnte. Nun bildet eine Mischung aus verschiedenen Laub- und Nadelhölzern die nächste Besandesgeneration. Auch die Aufgabe des Waldbrandschutz wird ernst genommen und die örtliche Feuerwehr wird, wo es geht, unterstützt. In dem Revier konnte so unter lichtem Schirm mit strammer Bejagung ein diverser Wald etabliert werden. 

Präsentation eines Feuerwehrfahrzeugs im Privatwaldrevier Massow

Auch wenn am Nachmittag mit dem Abschluss der Exkursionen der offizielle Teil der Bundestagung vorüber war, fanden sich viele der Studierenden wieder auf dem Campingplatz ein, um beim Abbau und der Säuberung des Platzes zu helfen. Nach den drei interessanten, aber auch zehrenden Tagen verabschiedeten wir uns herzlich voneinander. Die letzten abgebauten Zelte, das Kochgeschirr und vieles mehr wurde dann noch in die Autos und Hochschulbusse zum Abtransport verstaut. Einige Studierende, die ihre längere Rückreise erst am Sonntag antreten wollten, konnten noch eine Nacht auf dem Campingplatz bleiben und gingen am Abend in der Nähe gemeinsam Pizza essen. Für den Rest ging es schließlich nach Hause und endlich unter die warme Dusche. 

Die Studierenden aller Hochschulgruppen können auf ein aufregendes Wochenende voller spannender Erfahrungen, bereichernder Eindrücke, toller Gespräche, sowie wertvoller neuer Bekanntschaften blicken. Wir bedanken uns bei allen, die dieses beeindruckende Event möglich gemacht haben und freuen uns, einen Teil dazu beigesteuert zu haben. 


Autor*innen: Laura Paula Kasimir, Xaver Heimberg
Fotos wurden von Mitgliedern der ANW-Hochschulgruppe Eberswalde aufgenommen


Was tun nach dem Fichten-Sterben?


Die Brandenburg-Berliner Landesgruppen von ANW und ÖJV diskutierten während ihrer Harz-Exkursion verschiedene Ansätze

Von Katharina Bauckmeier

Im September 2021 besuchten Mitglieder von ANW und ÖJV Brandenburg-Berlin die Stadt Wernigerode im Harz. Wernigerode ist die neue Wahlheimat von Jürgen Rosemund, dieser wiederum ist seit Jahren in beiden Vereinen aktiv, im ÖJV war er Gründungsmitglied, in der ANW-Landesgruppe jahrelang Geschäftsführer. Er hatte zu dieser Reise eingeladen und das Programm organisiert. 

Kernfrage dieser Tage war der (naturgemäße) Umgang mit weiträumigen Fichtenkalamitätsflächen. Um uns einen Eindruck von der Situation und den verschiedenen Herangehensweisen zu verschaffen, besuchten wir Wald in drei unterschiedlichen Besitzverhältnissen: 

Nach unserer Ankunft am Freitag führte uns Michael Selmikat, der Leiter des Stadtforstes Wernigerode, zusammen mit Marco Wolf durch den zum Stadtforst Wernigerode gehörenden „Tiergarten“. Dieser war früher ein für die gräfliche Hatz eingezäuntes Jagdgebiet der Familie Stollberg-Wernigerode (Förderverein Wildpark Christianental, 2011). Später bekam der Tiergarten dann einen eher parkähnlichen Charakter, heute ist er Teil des Baudenkmals „Schloss Wernigerode mit umgebendem Tiergarten“. Obwohl der Stadtforst Wernigerode zu 56 Prozent Fichte im Oberstand aufzuweisen hat(te) (Stand 2019), besichtigten wir nur den mit Laubholz bestockten Teil (Abbildung 1). Natürlich waren die Exkursionsteilnehmer:innen sehr neugierig, wie mit den Fichtenflächen umgegangen wird, sodass wir im Gespräch auch darüber einiges herausfinden konnten (mehr dazu unten). Beim Abendessen im Schloss Wernigerode (Abbildung 2) sowie dem anschließenden Stadtbummel und Barbesuch konnten wir uns angeregt über das Gesehene und Gehörte austauschen. 

Der Samstag war dem Privatwald und dem Nationalpark gewidmet. So besuchten wir am Vormittag Stefan Wern, den Leiter des ca. 750 ha großen Reviers Hasserode/Harz. Dieses gehört zum Forstbetrieb Fürst zu Stollberg-Wernigerode, der sich auf mehr als 3.000 ha klar der Erwerbswirtschaft verschrieben hat. Das Revier Hasserode hatte ehemals einen Fichtenanteil von mehr als 75 Prozent aufzuweisen – drei Viertel davon sind bereits abgestorben. 

Nach dem Mittagessen im Natur-Erlebniszentrum HohneHof besichtigten wir zusammen mit Henning Möller einen Teil des Nationalparks Harz. Henning Möller ist dort Förster sowie Leiter der Naturparkwacht und zuständig für 25.000 ha. Der Nationalpark verfolgt – im Gegensatz zum Forstbetrieb am Vormittag – keine wirtschaftlichen Interessen: 72 Prozent des Nationalparks gelten als unbewirtschaftete Naturdynamikzone. Auf der restlichen Fläche, der Naturentwicklungszone, laufen noch Waldentwick-lungsmaßnahmen hin zu mehr naturnahen Wäldern. Durch den direkten Vergleich der Herangehensweisen sind uns die Unterschiede in der Bewirtschaftung besonders deutlich geworden: 


Wie wird mit Totholz umgegangen?

Am „radikalsten“ erschien uns die Methode im Stadtforst. Dort lautet die Devise, abgängige Flächen immer zu beräumen, sofern es geländetechnisch möglich ist. 500 der betroffenen 800 ha sind mittlerweile kahl. Im Privatwald scheint dies nicht so konsequent zu erfolgen (Abbildung 3). Die abgestorbene Fichte wird beispielsweise auf schwer zugänglichen Flächen (Nässe, Blocküberlagerung, …) als Schirm genutzt. Von den geräumten Flächen wurden 40 Prozent mit dem Seilkran bearbeitet. 

Abb. 3: Abgestorbene Fichten im Revier Hasserode/Harz des Privatforstbetriebes Fürst zu Stollberg-Wernigerode.
Im Hintergrund kann man den Nationalpark Harz sehen 
(c) Katharina Bauckmeier
Abb. 4: Im Nationalpark Harz werden die toten Fichten weitestgehend der natürlichen Dynamik überlassen
(c) Katharina Bauckmeier 

Eine spannende Diskussion entwickelte sich, als bekannt wurde, dass die Beräumung ohne den Bezug von Fördermitteln in Höhe von 10 Euro/Fm nicht oder nur knapp kostendeckend gewesen wäre. Werden die Fördermittel damit ihrem Zweck gerecht? Sollten Fördermittel der Anlass für solche Maßnahmen sein dürfen? Wie kann man noch rechtfertigen, bereits abgestorbene (nicht mehr fängische) Fichte flächig zu räumen, wenn man weder ökologische noch ökonomische Vorteile erwarten kann?  

Aus gänzlich anderen Beweggründen musste auch der Nationalpark einige Flächen per Harvester kahlschlagen: In einem 500 Meter breiten Sicherungsstreifen an der Nationalpark-Außengrenze sind ebenfalls Freiflächen entstanden, um eine Verbreitung des Borkenkäfers in angrenzende Wälder einzudämmen – obwohl die Flächen teilweise zur Naturdynamikzone gehören (Fußnote 1). Über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen herrscht wohl Uneinigkeit – besonders bei angrenzenden Waldbesitzer:innen. In den anderen Bereichen des Nationalparks werden die toten Fichten der Natur überlassen (Abbildung 4). 

Auffällig war für uns, dass nirgendwo ein dauerhaftes Feinerschließungssystem zu erkennen war. Der Nationalpark verzichtet aufgrund der Geländebeschaffenheit und der Einmaligkeit des Eingriffs sogar gänzlich auf ein Rückegassensystem. 


Bodenbearbeitung – ja oder nein? 

Während im Privatwald auf Bodenbearbeitung mit flächiger Befahrung verzichtet wird, wird im Stadtforst gefräst oder gebaggert, wann immer es technisch möglich ist – und zwar mit der Pein-Plant (Abbildung 5) oder einem Rotary-Bagger. Im Nationalpark spielt dieses Thema keine Rolle, da die Natur ihrer eigenen Dynamik überlassen wird. 

Abb. 5: Pflanzvorbereitung mit dem Pein-Plant-Verfahren 
Quelle: Dezernat Stadtentwicklung (Stadtbetriebsamt/Stadtforst) (2021, S. 93) 


Vorwaldstadien und Begleitvegetation

Im Revier Hasserode (Privatwald) sprachen wir ausführlich über die positiven Effekte von Pionierbaumarten (hier besonders der Birke). Diese samt sich auf den freien Flächen sehr schnell an, bedeckt erst einmal den Boden, beeinflusst damit das Mikroklima positiv und hat einen guten Einfluss auf die Begleitflora. Die Birke wird freudig begrüßt, und ihre Effekte in den ersten Jahren werden gern genutzt. Später soll sie aber im Rahmen der Pflege größtenteils zugunsten der gewünschten Hauptbaumarten (Gemeine Fichte, Europäische Lärche und Douglasie) entnommen werden. 

Im Stadtwald hingegen scheinen Pionierstadien nicht gern gesehen zu werden. Anstelle von „Vorwald“ spricht man hier von „Scheinbestockung“. 


Nun zur vermutlich spannendsten Frage: Wie werden die Flächen wieder in Bestockung gebracht? 

Im Nationalpark wurden in den letzten Jahren lediglich Initialpflanzungen vorgenommen, um der Entwicklung hin zur potenziell natürlichen Vegetation (2) „auf die Sprünge zu helfen“ (→ Samenbäume). Dazu wurden auf ca. 25 Prozent der Fläche gruppen- und horstweise Rot-Buchen eingebracht – teilweise als Voranbau unter Fichte (ca. 3.000 Stück/ha). Kleinflächig wurden auch Berg-Ahorn und Erle gepflanzt. Diese werden jedoch vom Rotwild (3) kräftig verbissen und geschält. 

Ganz anders die Situation im Stadtforst: Hier wird außerhalb der Steillagen flächig gepflanzt. Und zwar hauptsächlich Douglasie und Lärche, teilweise auch Berg-Ahorn und Eiche. Fichten-Naturverjügung soll übernommen werden. Buche wird nicht gepflanzt. Die Möglichkeit, Kulturen bei Bedarf zu spritzen, wird in Betracht gezogen. Auf diese Art und Weise sollen jedes Jahr 60 ha aufgeforstet werden, sodass die kahlen 500 bis 600 ha in zehn Jahren wieder bestockt sind. 

Diese Herangehensweise erntete Kritik von der Gruppe. Die Eignung von Fichte, Lärche und Douglasie als klimasichere Baumarten wurde in Frage gestellt, als Alternativen wurden Eiche, Linde oder Tanne vorgeschlagen. Weiterhin wurde der flächige Ansatz bemängelt: Die Maßnahmen zur Wiederbewaldung scheinen überwiegend mit dem Hintergedanken an „bestandesbildende“ Baumarten zu erfolgen. Viel besser erschienen der Gruppe kleinflächige Mischungen – sonst entwickeln sich die Flächen in den nächsten Jahren wieder zu 600 ha einschichtigem, gleichaltrigem Wald, der zwar aus mehreren Baumarten besteht, deren Mischung auf der Fläche jedoch trotzdem einförmig wäre. 

Etwas naturgemäßer scheint das Vorgehen im Privatwald. Dort wird zu großen Teilen mit der Naturverjüngung gearbeitet und ergänzend gepflanzt (teilweise im Revier geworbene Wildlinge). Außerdem werden Verfahren zur Saat ausprobiert. 

Abb. 6: Die Exkursionsgruppe zwischen zwei Naturverjüngungsflächen 
(c) Jürgen Rosemund

Um zu demonstrieren, wie die frisch abgestorbenen Flächen in ca. 15 Jahren aussehen könnten, zeigte uns Stefan Wern Wiederbewaldungsflächen nach Abgängen aus den Jahren bis 2008 (Borkenkäfer, Windwurf). Diese wurden komplett der natürlichen Sukzession überlassen. Heute sieht man dort eine bunte Mischung aus Birke, Fichte, Lärche, Eberesche, Douglasie und vereinzelt Buche und Ahorn (Abbildung 6 und 7). Eingegriffen wird dort erst, wenn bei einer Pflege ein neutraler oder positiver Deckungsbeitrag erzielt werden kann. In den ersten Jahren differenzieren sich die Bäume selbst aus (→ Nutzung der biologischen Automation). Später ist es jedoch notwendig, die Flächen zu pflegen, um das Betriebsziel – gemischte Wälder, jedoch weiterhin mit Fokus auf die Nadelholzproduktion – erreichen zu können (4).

Bei einer Pflege wird das Nadelholz selektiv herausgearbeitet. Die Lärche wird im Betrieb sehr positiv bewertet und soll die Fichte auf einigen Standorten ablösen. Die Douglasie soll in Maßen in die Mischbaumstrategie eingebunden werden. Der Fichte wird prognostiziert, dass sie zwar an Fläche verlieren wird, aber zukünftig trotzdem die dominierende Baumart bleiben wird. Um die Mischung zu bewahren, werden einige Laubbäume bei der Pflege begünstigt. Auch die ein oder andere vorwüchsige Birke wird gefördert. Die Kosten der Pflege belaufen sich auf ca. 600 bis 1.000 Euro/ha. 

Abb. 7: Nach Abgängen bis 2008 aus Naturverjüngung entstandene Sukzessionsfläche im Revier Hasserode/Harz. Quelle: Wern (2021, S. 11)

In einem anderen Bestand wurden Löcher in der Naturverjüngung mit Douglasie ergänzt, um zu testen, ob sie dem Verbiss- und Schäldruck durch das Rotwild standhält. Ergebnis: Ja. Dies war von Interesse, weil sich mit der Zeit Douglasien-Inseln über die Betriebsfläche etablieren sollen, die sich in Zukunft selbst verjüngen sollen. 

An einem dritten Exkursionspunkt wurden uns die Ergebnisse eines innovativen Saatverfahrens gezeigt: Mit einem an den Kranausleger eines Kettenbaggers montierten T-Stück wurden minimalinvasiv Saatrinnen in 1,5 bis 2 Metern Abstand gezogen. Der Kettenbagger bewegte sich dabei ausschließlich auf den vom Harvester hinterlassenen Reisigmatten. Anschließend wurde mit Hilfe von Plastikflaschen, deren Deckel mit einem Loch versehen wurden, Fichte, Lärche und Douglasie gesät. Eigentlich sollte die Mischung durch die Tanne ergänzt werden, entsprechendes Saatgut war jedoch nicht erhältlich. Vorteil der Saatrinnen ist, dass die hier bis zu 10 Zentimeter mächtige Streuauflage aufgebrochen wurde, die Saatkörner in den Rinnen vor Windverwehung geschützt sind und Feuchtigkeit in den Rinnen länger erhalten bleibt. Im weiteren Verlauf soll sich die bisher gut aufgelaufene Saat (Abbildung 8) selbst mit Naturverjüngung ergänzen. Später, wenn sich die Bodensituation etwas beruhigt hat, ist die Pflanzung weiterer Baumarten angedacht. Dies bezieht sich besonders auf Laubholzarten, deren Kultivierung auf Freiflächen sowieso eher schwierig und kostenintensiv ist. Die Kosten für die Saat (Bagger + Saatgut + Ausbringung) belaufen sich auf ca. 1.300 Euro/ha. 

Abb. 8: In den Saatrinnen auflaufende Saat im Revier Hasserode/Harz 
(c) Katharina Bauckmeier

Die gesamte Herangehensweise des Fürst zu Stollberg-Wernigerodischen Betriebes erschien uns (besonders im direkten Vergleich) innovativer und naturgemäßer. Trotzdem liegt auch hier der Fokus weiterhin auf dem Nadelholz – vor allem auf Fichte und Lärche (sowie Douglasie). Ob dies zukunftsfähig ist, wird sich zeigen. Es scheint schwer vorstellbar, dass sich die Fichte teilweise einfach durch die Lärche ersetzen lässt. Letztere mag zwar weniger sturmanfällig sein, benötigt jedoch ebenfalls relativ hohe Niederschlagsmengen, verträgt keine Staunässe und hat eine schlecht zersetzbare Nadelstreu (Forster, Falk & Reger, 2019, S. 45-47). Außerdem gibt es natürlich auch für die Lärche mehrere angepasste Borkenkäfer-Arten. Kritisch bleibt, dass die Fichte weiterhin die Hauptbaumart bleiben soll, auch wenn im Betrieb die Beobachtung gemacht wurde, dass die Fichte (anders als teilweise in den Medien dargestellt) ein „Überlebenskünstler“ sei. 

Die Frage, die sich im Zuge des Klimawandels stellen wird, ist meiner Meinung nach nicht, wie wir mit dem Wald möglichst viel Profit erzielen können, sondern ob wir überhaupt noch Wald haben werden. Jetzt weiterhin vorrangig auf die Holzproduktion zu setzen, kann nicht die Lösung sein. Naturgemäße, nach bestem Wissen und Gewissen an die anstehenden Klimaveränderungen angepasste Wälder sollten das Ziel sein – und das scheint weder im Stadt- noch im Privatwald der Fall zu sein (6). (Die Beweggründe im Nationalpark sind gänzlich andere und daher nicht vergleichbar.) 



Fazit

An nur zwei Tagen im Harz haben wir jede Menge gesehen, gehört und erlebt. Vieles davon hat – gerade durch den direkten Vergleich – zum Nachdenken angeregt und durch wiederholte Reflexion im Gespräch mit Fachkundigen als auch „forstlichen Laien“ noch lange nachgewirkt. Die Entwicklungen im Harz sind ein Thema von aktuellem Interesse, wie man im Gespräch immer wieder feststellen kann. 

Ich persönlich erfahre das Ausmaß der Veränderungen vermutlich nicht so intensiv wie einige von uns, weil ich den Harz im „grünen“ Zustand leider nie erlebt habe. Trotzdem sind die Bilder auch für mich erschreckend. Das Ausmaß der Schäden in diesem Gebiet zwingt zum Umdenken. Vielleicht liegt darin eine Chance für zukünftige Waldentwicklung. 

Im Namen der Gruppe möchte ich mich bei unseren Exkursionsleitern Michael Selmikat, Marco Wolf, Stefan Wern und Henning Möller, sowie ganz besonders bei Jürgen Rosemund für die gelungene Exkursion bedanken! 

Abb. 9: Unsere Exkursionsgruppe, bestehend aus ANW- und ÖJV-Mitgliedern vor unserer Unterkunft „Hotel am Schlosspark“
(c) Monika Stiehl 


Fußnoten

  1. Mittlerweile wird an einigen Stellen der Sicherungsstreifen in den angrenzenden Landeswald „ausgeklappt“, damit im Nationalpark die eigentlich angedachte, ungehinderte Naturentwicklung stattfinden kann.  
  2. Im Nationalpark Harz größtenteils Buchenwaldgesellschaften, Bergmischwald aus Buche und Fichte sowie Fichtenwald ab über ca. 700 bis 800 m ü. NN (FISCHER, NICOLAI & TOLKMITT, o. D., S. 2; NATIONALPARKVERWALTUNG HARZ, 2007, S. 16f.  
  3. Das Rehwild spielt durch die vorhandene Luchs-Population im Harz eine eher untergeordnete Rolle.
  4. Referenzflächen haben gezeigt, dass die Flächen bei unterlassener Pflege mittelfristig komplett von der Birke übernommen werden.  
  5. Laut Aussagen von Stephan Wern stellen sich die Abnehmer teilweise auf die Birke ein. Mit 30-jähriger Birke im PAL-Sortiment lassen sich nach seiner Aussage Preise von bis zu 65 €/Fm erzielen. Außerdem könnten Birke und Buche perspektivisch bei der Kunststoffherstellung mit verwendet werden.  
  6. Natürlich geben ökonomische und politische Gegebenheiten einen anderen Handlungsrahmen vor (notwendige Wirtschaftlichkeit eines Betriebes, welche Leistungen werden wie finanziell in Wert gesetzt etc.) – aber dies ist eine Grundsatzdiskussion, die hier nicht vertieft werden soll.    


Literaturverzeichnis

FISCHER, S., NICOLAI, B. & TOLKMITT, D. (Hrsg.). (o. D.). Die Vogelwelt des Landes Sachsen-Anhalt. Abgerufen am 27. Oktober 2021 von Darstellung der naturräumlichen Voraussetzungen für die Besiedlung des Landes durch Vögel. Landschaften und ihre historische sowie aktuelle Besiedlung durch Vögel. Harz: http://www.vogelwelt-sachsen-anhalt.de/#accordion; http://www.vogelwelt-sachsen-anhalt.de/pdf/2.5%20Harz.pdf 

FÖRDERVEREIN WILDPARK CHRISTIANENTAL E.V. (2011). Wildpark Christianental. Abgerufen am 23. Oktober 2021 von Einst und Heute – Die Geschichte des Tierparkes: https://www.christianental.de/geschichte.html 

FORSTER, M., FALK, W. & REGER, B. (2019). Klima – Boden – Baumartenwahl. Praxishilfe. (LWF Bayern, Hrsg.) Oberbergkirchen. 

NATIONALPARKVERWALTUNG HARZ (Hrsg.). (2007). Walddynamik und Waldumbau in den Entwicklungszonen von Nationalparks. Tagungsbericht zum Wald-Workshop des Nationalparks Harz. Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz. Abgerufen am 27. Oktober 2021 von https://www.nationalpark-harz.de/de/downloads/schriftenreihe/Band01_Walddynamik-und-Waldumbau.pdf 

DEZERNAT STADTENTWICKLUNG (STADTBETRIEBSAMT/STADTFORST) (Hrsg.). (18. Oktober 2021). Stadtforst Wernigerode. Verwaltungsbericht 2020 der Stadt Wernigerode, S. 92-97. Abgerufen am 1. November 2021 von wernigerode.de: https://www.wernigerode.de/media/custom/3098_8310_1.PDF?1634652312 

Waldentwicklung. (2020). In NATIONALPARKVERWALTUNG HARZ (Hrsg.), Nationalpark Harz. Tätigkeitsbericht 2020 (S. 36 – 45). Abgerufen am 27. Oktober 2021 von https://www.nationalpark-harz.de/de/downloads/taetigkeitsberichte/Taetigkeitsbericht_NationalparkHarz_2020.pdf 

WERN, S. (2021). Exkursion zum Thema Waldbewirtschaftung im Harz. Ziele und Strategien für die zukünftige Entwicklung in einem privaten Forstbetrieb unter Berücksichtigung sich verändernder Umweltbedingungen insbesondere von Wetter und Klima [unveröffentlicht]. Wernigerode.